- Die drei Gründe zu
gähnen
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- Gähnen ist ein uraltes Verhalten, das
unserem Stammhirn entspringt. Es lässt sich
nicht unterdrücken und erinnert insofern an
einen Reflex. Es dient nicht der besseren
Sauerstoffversorgung ! Vielmehr sorgt es
für die Aktivierung von Muskulatur und
Kreislauf.
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- Auch einige Stimmungen lösen
Gähnen aus: Langeweile, gespannte Erwartung
(zum Beispiel einer Mahlzeit), Konflikt. Hierbei
tritt das alte Saugerhirn mit dem limbischen
System in Funktion.
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- Nur Menschen gähnen durch Ansteckung.
Dieser Impuls entsteht im Neusäugerhirn
unter Mitwirkung von Nervenzellen, die auch bei
Empathie, Einfühlung in andere, aktiv sind.
Diese Art des Gähnens dürfte in der
menschlichen Evolution geholfen haben, das
Gruppenleben zu synchroniseren
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bâillement
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- Warum
gähnen Wir?
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- Gähnen kommt aus dem Stammhirn und
tritt schon bei Reptilien auf. Doch nur Menschen
lassen sich davon anstecken. So stimmen sie sich
unwillkürlich aufeinander ein.
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- Alile tun es: Menschen, Affen, Hunde,
Vögel, sogar Schlangen. Offenbar ist
Gähnen ein altes Verhaltenserbe der
Wirbeltiere. Nur - wozu ist es gut, den Mund
weit aufzureissen und geräuschvoll, langsam
und genüsslich tief einund auszuatmen,
vielleicht noch mit einem herzhafren Seufzer am
Schluss?
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- Charles Darwin (1809-1882), der
Begründer der Evolutionstheorie, soll
- das Gähnen als ein "nutzloses
Stück Physiologie" bezeichnet haben.
Verwunderlich nur, dass die merkwürdige
Verhaltensweise über Jahrmillionen
unverändert blieb und bei allen Tieren
gleich und auffallend stereotyp aussieht.
Merkwürdig auch, dass sie in ganz
verschiedenen Zusammenhängen und sogar
entgegengesetzten Situationen erscheint: beim
Einschlafen und beim Aufwachen, vor und nach
einer Mahlzeit, wenn jemand allein ist oder in
Gesellschaft. Beim Menschen kommt noch als
Besonderheit hinzu, dass Gähnen auf andere
leicht ansteckend wirkt.
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- Für besonders herzhafte Fälle gibt
es im Franzôsischen die Wendung:
"Gähnen, dass man sich den Kiefer
ausrenkt". Der Spruch ist nicht so falsch. Am
häufigsten geraten Kiefer tatsächlich
aus dieser Ursache aus dem Gelenk.
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- Im Prinzip vollführen wir beim
Gähnen automatisch einen festen
Bewegungsablauf, den wir wenig beeinflussen
können. Der Vorgang erinnert damit an einen
Reflex. Man gahnt unwillkürlich.
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- Hat man erst angefangen, lässt sich
zwar das AusmaI etwas steuern, der Ablauf aber
nicht mehr anhalten oder unterdrücken.
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- So em Gähnvorgang dauert fünf bis
zehn Sekunden. Zunächst spannen sich das
Zwerchfell sowie etliche Muskeln von Kiefer und
Nacken an, andere werden gedehnt. Das erzeugt
das tiefe Einatmen. Der Mund öffnet sich
dabei weit und die Lippen werden zuruckgezogen,
sodass die Zähne zu sehen sind. Auch die
oberen Atemwege weiten sich. Auf dem Hohepunkt
hat unser Schlund den vierfachen Durchmesser wie
sonst.
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- Nicht wegen Sauerstoffmangel
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- So viel Luft auf einmal kann man nur durch
den Mund einholen. Auch Pferde beispielsweise,
die an sich immer durch die Nase atmen,
gähnen durch das Maul. Währenddessen
hört man kurzfristig etwas schlechter, weil
sich em Verbindungsgang zwischen Ohr und
Mundraum schliesst. Die Augen gehen halb zu,
zuweilen kommt eine Träne. Zum herzhaften
Gähnen gehort auch, Rumpf und Glieder
kräftig zu strecken und das Kreuz
durchzudrücken. Auch Tiere
überstrecken den Rücken, oder sie
machen einen Buckel.
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- Das Ausatmen geschieht nach kurzem Anhalten
der Luft schneller, passiv und oft mit
charakteristischen Lauten. Jetzt erschlaffen die
vorher kontrahierten Muskeln, der Mund geht
wieder zu und die Augen auf.
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- Lange glaubten Mediziner, das Gähnen
diene der besseren Sauerstoffversorgung des
Gehirns. Doch das haben Messungen widerlegt: Im
Blut steigt dabei weder die
Sauerstoffkonzentration mehr als sonst beim
Einatmen noch sinkt der Kohlendioxidievel
ubermassig. Doch die Wissenschaft hat andere
Erklarungen für den lange viel zu wenig
beachteten Verhaltensabiauf gefunden.
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- Einigen Aufschluss über den
eigentlichen Sinn des Gähnens geben schon
die Situationen, in denen es normalerweise
auftritt. Wie viel ein Mensch im normalen
Tagesablauf gähnt, ist individuell
verschieden, ähnlich wie manche Leute viel,
andere wenig schlafen. Die Frequenz andert sich
überdies mit dem Alter - wohl auch im
Zusammenhang mit der Schlafdauer. Während
Kinder im ersten Lebensjahr sicher
fünfundzwanzig bis dressig Mal am Tag auf
die Art Luft schnappen, tun es ältere
Personen im Allgemeinen höchstens noch etwa
zehn Mal.
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- Besonders oft gahnen wir des Morgens beim
Aufwachen, wobei wir uns gleichzeitig
räkeln, und dann wieder vor dem
Einschlafen. Das Verhalten überkommt uns
des Weiteren unter Schlafmangel, aber auch bei
Langeweile, wenn sich eine Situation monoton
dahinzieht und unsere Aufmerksamkeit schwindet,
etwa bei Fliessbandarbeit, auf einer langen
eintönigen Autofahrt oder während eins
einschläfernden Vortrags. Ist es hess oder
fühlt man sich räumlich beengt, wird
es noch schlimmer.
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- Unabhängig von langweiligen Situationen
ähnelt der Tagesrhythmus des Gähnens
bei Tieren dem des Menschen. Wie leicht zu
erkennen ist, tritt das Verhalten auf, wenn sich
der Grad von Wachheit und Aufmerksamkeit
verschiebt. Genauere Untersuchungen ergeben,
dass Gähnen uns wie auch den Tieren dabei
hilft, wach und konzentriert zu werden
beziehungsweise es zu bleiben. Bei
Müdigkeit am Abend soll es eigentlich
bewirken, dass wir nicht - zumindest nicht auf
der Stelle - einschlafen. AJlerdings gewinnt
dann die Schlafbereitschaft meist die
Oberhand.
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- In diesem Zusammenhang ist die Wirkung
bestimmter Neurohormone, der Orexine,
interessant. Die Orexine, oder Hypokretine,
wurden erst 1998 entdeckt. Unter anderem
beteiligen sie sich an der Regulation von
Schlafen und Wachsein. Sie entstehen im
Hypothalamus, der für die Regulation des
Stoffwechseigleichgewichts verantwortlich ist.
Dort werden sie im Hungerzentrum
ausgeschüttet. Sie stacheln den Appetit an,
senken aber zugleich den Energieverbrauch. Wie
die Gruppe von Ikuko Sato-Suzuki von der
Toho-Universität in Tokio herausfand,
gähnen Ratten mehr, nachdem ihnen Orexine
in den Paraventrikular-Kern des Hypothalamus
injiziert wurde. Zugleich stieg ihre
Wachheit.
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- Steigende Gähnfrequenz vor der
Fütterung
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- An Tieren kann man gut beobachten, dass sie
in gespannter Erwartung und vor wichtigen
Ereignissen, die im Prinzip für sie
überlebenswichtig sind, vermehrt
gähnen. Bemerkenswert oft tritt das im
Zusammenhang mit dem Fressen auf. Die Futterung
im Zoo zu festen Zeiten ist hierfür ein
gutes Beispiel. Nicht nur bei Löwen steigt
davor die Gähnfrequenz klar an. Auch etwa
Mandrills, eine Pavianart aus dem Regenwald,
befleissigen sich dessen, wenn sie auf den
Wärter warren. In der Wildnis gähnen
Löwen auffallend viel, bevor das Rudel zur
Jagd loszieht. Hyänen tun desgleichen, wenn
sie einen Kadaver umkreisen, den sie sich
aneignen möchten. Offenbar wirkt hier die
Aussicht, den Hunger zu stiilen, förderlich
- was nicht verhindert, dass ein voller Bauch
auch wieder Anlass zum Gähnen gibt.
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- In den 1 980 er Jahren haben Forscher Rarten
daran gewöhnt, dass sie nur einmal
täglich zu fester Stunde gefütertt
wurden. Nach drei Wochen gähnten die Nager
in der Stunde vor dem Schmaus bis zu zehnmal
öfter ais während des übrigen
Tages. Die Haufung verschwand nach
dreitägigem Fasten wieder.
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- Ubrigens schlafen und dösen die
Pflanzenfresser unter den Saugetieren, etwa die
Huftiere, im Allgemeinen nicht nur weniger als
die Raubtiere - wohl weil sie viel mehr Zeit
für Fressen und Futtersuche aufbringen
müssen -, sondern sie gähnen
offensichtlich auch deutlich seltener.
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- Wie Experimente ergaben, steigern sich
sowohl die Ruhephasen als auch die Haufigkeit
des Gähnens, wenn man ihnen
nährstoffreicheres Futter gibt. Dieser
Effekt ist tatsächlich von der Höhe
der Kalorienzufuhr abhängig. Die einzige
Ausnahme von dieser Regel scheinen Früchte
fressende Affen zu sein.
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- Auch soziale Kontakte und Stress können
Gähnen auslösen, sogar schon bei
niederen Wirbeltieren. Den Juwelen-Riffbarsch
(Microspathodon chrysurus) kann man ärgern,
indem man die Attrappe eines Artgenossen vor ihm
schwimmen lässt. Dann verharrt der recht
aggressive Fisch mit gespreizten Flossen auf der
Stelle, öffnet das Maul und gähnt
mehrere Male regelrecht, indem er Wasser
aufnimmt. Danach schwimmt er noch minutenlang
nervös hin und her. Genauso verhält er
sich, wenn man das Hypophysenhormon ACTH ins
Wasser gibt, weiches die Nebenniere anregt, das
Stresshormon Cortisol auszuschütten.
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- Stimmungsabhängiges Gähnen ist
insbesondere von Säugetieren gut bekannt.
Generell zeigen es dann, beispielsweise bei
Nagern und bei Affen, die Männchen mehr als
die Weibchen. So beobachtete der
Verhaltensforscher Bertrand Deputte von der
Universität Rennes (Frankreich) bei einer
Makakengruppe, dass das dominante Männchen
am meisten von allen gähnte. Diese Art zu
gähnen steht nach Auffassung des
franzosischen Ethologen manchmal am Ende von
sozialen Interaktionen mit emotionaler
Bedeutung.
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- Offenbar ist dieser Geschlechtsunterschied
vom männlichen Hormon Testosteron abhangig.
Er beginnt sich in der Pubertät zu zeigen,
in der die männlichen Affen zugleich
langere Eckzähne bekommen. Wird em
Männchen kastriert, verschwindet dieses
Gähnen. Injiziert man ihm dann
männliche Hormone, erscheint das Verhalten
wieder. Entgegen anderer Verlautbarungen handeit
es sich niemals um ein Drohsignal, wenn em
Affenmännchen seine machtigen Eckzähne
entblösst. Vielmehr scheint das oberste
Männchen so seinen Status zu demonstrieren.
In unserer eigenen Evolution gingen diese
Funktionen offenbar verloren. Warum allerdings
bei unserer Art Manner nicht öfter gahnen
als Frauen, ist nicht klar.
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- Gähnen trotz vollständiger
Lähmung
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- Vieles weist darauf hin, dass das
Gähnen von sehr allen Gehirnstrukturen
herrührt. Em besonderes neuronales Zentrum,
das diese Erscheinung hervorbringt, haben
Hirnforscher bisher zwar nicht gefunden. Doch
auf jeden Fall nehmen der Hypothalamus - vor
allem der schon erwähnte
Paraventrikular-Kern (Nucleus paraventricularis)
- darauf Emfluss, des Weiteren das Riechhirn
sowie die Brücke, em Bereich des
Stammhirns, der mit der Hirnrinde und mit dem
Rückenmark in enger Verbindung steht.
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- Beim menschlichen Fetus tritt der
Bewegungsablauf etwa im vierten
Schwangerschaftsmonat auf. Die früheste
Beobachtung stammt von einem 15 Wochen alten
Fetus. In diesem Alter, wenn sich der Himstamm
ausdifferenziert und die Hypophyse
(Hirnanhangsdrüse) zu arbeiten
anfängt, vermag das Kind auch zu saugen und
zu schlucken. Gähnen und Saugen haben den
gleichen neuronalen Ursprung.
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- Kinder, deren Gehirn sich nicht ausgebildet
hat, leben nach der Geburt nur wenige Stunden.
Aber sie gähnen und strecken sich. Das tun
erstaunlicherweise auch vollständig
gelähmte Menschen, obwohl sie sonst zu
keiner Bewegung mehr fähig sind und auch
wissentlich den Mund nie öffnen
könnten. Sogar Patienten mit einem so
genannten Locked-in-Syndrom, die sich in keiner
Weise mehr mitteilen können,
gähnen.
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- Vor einigen Jahrzehnten entwarf Paul D.
MacLean vom Amerikanischen Institut für
geistige Gesundheit in Bethesda (Maryland) die
These vom Dreifachhirn (dreieinigen Gehirn) des
Menschen. Nach diesem groben Schema setzt sich
unser Gehirn aus drei unterschiedlrch alten
Grundtypen zusammen, die sich übereinander
schichten und hierarchisch aufeinander
aufbauen.
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- Das älteste, innerste, nannte MacLean
"Reptilienhirn". Zu ihm gehoren der Hirnstamm
(auch als Stammhirn be zeichnet) und die
Basalkerne. In diesen Bereichen entstehen
grundlegende angeborene
Verhaltensäusserungen. Auch das Gähnen
als Gesamtkomplex hat hier seinen Ursprung.
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- Uber dem Reptilienhirn lagert das
"Altsaugerhirn", das Gefühle reguliert und
Bereitschaften steuert, in etwa gleichzusetzen
mit dem limbischen System, einer Errungenschaft
der Saugetiere. Hier dürfte das emotional
bedingte Gähnen etwa von dominanten
Affenmännchen ausgelöst werden.
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- Das jüngste der drei Gehirne ist das
"Neusaugerhirn", das den Neocortex, die
Neurinde, bildet, also den grossten Teil der
Grosshirnrinde. Besonders das Stirnhim gewinnt
hiermit an Bedeutung. Die höheren
Hirnstrukturen sind zuständig, wenn wir uns
vom Gähnen anderer Leute anstecken
lassen.
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- Entzugssyndrom bel Heroinsucht
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- Für die grundlegende Beteiligung des
Stammhirns an dem Verhaltensautomatismus gibt es
sehr viele Beobachtungen, besonders aus dem
medizinischen Bereich. Manche Medikamente oder
Drogen stimulieren das Gähnen, andere
unterdrücken es vollig. Unter Morphium etwa
setzt das Verhaken aus. Bei Heroinsuchrigen
kommen Gahnattacken als Entzugserscheinung vor.
Auch Neuroleptika blockieren den Automatismus.
Dagegen macht Histamin nicht nur wach, sondern
lost auch Gähnen aus.
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- Wie schon gesagt, ist die herzhafte
Ausserung mit der Regelung von Wachund
Schlafruständen wie auch des Appetits
verbunden. Schlafen und Wachen beruhen auf dem
Zusammenspiel von einem guten Dutzend tief
sitzender neuronaler Schaltkreise unter
Mitwirkung einer Hand voll neuronaler
Botenstoffe.
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- Die gleichen Botenstoffe steuern auch das
Gähnen. Einige wirken dabei offenbar eher
aktivierend, andere hemmend. So erklärt
sich, wieso manche Gehirnmedikamente, die solche
Botenstoffe beeinflussen, wiederholtes
Gähnen auslösen, andere hingegen das
Verhalten völlig unterdrücken.
Stimuliert man etwa mit einem injizierten
Wirkstoff die Freigabe von Dopamin, last das
ganze Gähnsalven aus. Das Gegenteil tritt
auf, wenn man die Freigabe unterdrückt, was
auch durch Neuroleptika geschieht.
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- Dass manche Tiermütter nach einer
Geburt gähnen, geht auf Dopamin und
Histamin zurück. Die beiden Substanzen
regen Neuronen des ParaventrikularKerns an, das
Hormon Oxytocin auszuschütten. Unter
anderem sorgt dieses Peptid für den
Milchfluss. Das "Liebeshormon" fördert aber
auch das Knupfen fester sozialer Bindungen. Ohne
Oxytocm würde eine Kuh nicht ihr eben
geborenes Kalb lecken und die Nachgeburt fressen
- Voraussetzungen dafür, dass sie ihr
Junges annimmt. Dabei gähnt sie immer
wieder. Versuche mit Ratten zeigten zudem, dass
auch die Gabe von Oxytocm selbst Gähnen
auslöst.
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- Em anderer für Wachzustände
wichtiger Botenstoif ist Acetylcholin. Bei
Ratten wurde nachgewiesen, dass dessen
Konzentrationsschwankungen über den Tag,
wie auch die von Dopamin, nicht nur mit dem
Wachheitsgrad zusammenhangen, sondern auch mit
der Giihnhaufigkeit korrelieren. Serotonin nimmt
ebenfalls auf das Gähnen Einfluss. Gleiches
gilt für die korpereigenen und von auIen
zugeführten Opiate.
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- Zusammengenommen scheint Dopamin als
Auslöser besonders wichtig zu sein. Dieser
Botenstoff veranlasst, dass der
Paraventrikular-Kern des Hypothalamus Oxytocin
ausschüttet. Das wiederum aktiviert
Acetylcholin, das im Meynert'schen Kern wirkt.
Die anderen Botenstoffe modulieren die
Reaktion.
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- Gähnreflex als Muntermacher
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- Die enge Beziehung zwischen Schlafen und
Gähnen kommt sicherlich über das
vegetative (autonome) Nervensystem Stande, das
grundiegende physiologische Funktionen wie
Atmung, Herzschlagfrequenz, Blutdruck und
Verdauung steuert. Dabei arbeiten das
sympathische und parasympathische System ais
Gegenspieler. Ersteres ist für
Aktivität, Letzteres für Ruhe
zustandig.
-
- Im Schlaf übernimmt das
parasympathische System die Fuhrung. In dem
Zusammenhang senkt Acetylcholin den Blutdruck
und verlangsamt den Herzschlag. Am
stärksten sind die Muskeln in den
Traumphasen entspannt, obwohl das Gehirn
währenddessen hochaktiv ist. Auch die
oberen Atemwege sind dann vollig schlaff und
eng.
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- Nach dem Aufwachen sorgt das Gähnen
dafür, dass die Atemwege wieder weit
werden, die Muskeln ihre Leistungsbereitschaft
wiedergewinnen sowie Herzschlag und Blutdruck
steigen. Bei Müdigkeit wie auch Langeweile
dagegen sinkt der Muskeltonus. Insbesondere
Nacken- und Kaumuskein werden schlaff. Dies lost
den Reflex aus, sie gefälligst anzuspannen
- nämlich zu gahnen. Die Nachricht geht
gleichzeitig zum Locus coeruleu, der dann die
Wachheit erhöht.
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- Nach einem französischen Sprichwort
steckt em guter Gähner sieben Leute an.
Besser gesagt lassen sie sich unwillkürlich
mitreigen. Das aber ist eine Spezialität
des Menschen. Die LOwen auf dem Eingangsfoto
gahnen aus einem anderen Grund gleichzeitig.
Vielleicht erwarten sie Futter. Niemals
würden sie in dieser Weise das Maul
aufreiIen, weil sie gerade einen Artgenossen
gahnen gesehen haben. Beim Menschen jedoch
funktioniert die Ubertragung ohne jede Absicht
weder des Vorgähners noch des Einfallenden.
Wer sich allerdings gerade konzentriert
beschäftigt, ist vor Ansteckung ziemlich
sicher.
-
- Ende der 1980er Jahre hat der Psychologe
Robert Provine von der Universität von
Maryland in Baltimore dieses menschliche
Phänomen genauer untersucht. Unter anderem
zeigte er Testpersonen einen Film mit dreissig
Gähnsequenzen. Erwas mehr als die
Hälfte der Teilnehmer folgte dem Beispiel,
manche schon nach wenigen Sekunden, andere bis
zu fünf Minuten spater. Dagegen liess sich
niemand von gähnenden
Zeichentrickgesichtern mitreissen.
-
- Hingegen sind manche Menschen so
anfällig, dass schon die reine
Beschreibung, ja der Gedanke an den Ablauf
genügt. Und doch: Sahen diese
hypersensiblen Leute von einem gähnenden
Gesicht nur einen Teil, und sei es der Mund,
regte sich bei ihnen nichts. Dabei muss man das
Gähnen nicht emmal sehen, um davon
angesteckt zu werden, denn auch Blinde
reagieren, wenn sie jemanden genüsslich
gähnen hören.
-
- Schizophrene lassen sich nicht
anstecken
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- Kürzlich hat Steven Platek von der
Drexel University in Philadelphia (Pennsylvania)
untersucht, worm sich ansteckbare und
unempfängliche Menschen unterscheiden. Wie
er herausfand, fallen jene Menschen am besten
em, die in hohem Grade empathiefähig sind,
das heisst allgemein stark mit anderen
mitfühlen und sich in deren Situation
hineinversetien können. Sie spüren das
Befinden des Mitmenschen auch besonders leicht
an dessen Gesichtsausdruck. Menschen mit
schizophrenen Zügen sind gewöhnlich
nicht ansteckbar.
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- Einfühlungsvermogen erfordert, viele
Informationen zu analysieren und zu bewerten,
und ist damit eine Leistung höherer
kognitiver Funktionen. Mitgähnen geschieht
aber automatisch, eher unbewusst. Es wirkt wie
eine empathische Ausserung, die einen allerdings
instinktiv, unfreiwillig überkommt. Uber
diesen Mechanismus erfassen Menschen offenbar
unwillkürlich das Befinden von anderen, in
dem Fall wohl deren Wachheitsgrad. Der Sinn
scheint zu sein, dass unterschiedliche Personen
so ihren Aktivitätszustand aufeinander
abstimmen. Man könnte es eine affektive
Kommunikationsform nennen, die nicht auf
bewusster Ebene abläuft.
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- Weiche Gehirnfunktionen beim Mitgähnen
des Menschen arbeiten, beginnt sich erst langsam
zu erhellen. Auf jeden Fall scheint die
Hirnrinde beteiligt zu sein. Offenbar sind die
so genannten Spiegeineuronen einbezogen, die
Vittorio Gallese und Giacomo Rizzolatti von der
Universität Parma 1996 bei Makaken
entdeckten. Es handeit sich um eine
Neuronengruppe in der Grosshirnrinde, und zwar
im prämotorischen Cortex.
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- Das Besondere dieser Nervenzellen ist, dass
sie nicht nur dann aktiv werden, wenn der Affe
eine bestimmte Aktion ausführt, etwa ein
Objekt ergreift, sondern auch, wenn er jemandem
bei der gleichen Handlung zusieht. Das muss kein
Artgenosse, es kann auch ein Mensch sein.
Entsprechende Neuronen besitzen auch wir.
Anscheinend machen wit die beobachtete Handlung
sozusagen im Geiste mit. Möglicherweise
sind diese Spiegelneuronen unter anderem auch
für unser Empathievermögen
wichtig.
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- Im Jahr 2002 beobachtete Jean Decety von der
Universität des US-Staates Washington in
Seattle, weiche Hirnregionen beim Menschen aktiv
sind, wenn die Versuchsperson eine vorgefuhrte
Bewegung nachmacht - oder wenn sie zusieht, wie
umgekehrt jemand anders sie imitiert. Dabei kam
heraus, dass beim Imitieren und beim Beobachten
von nachgeahmtem Verhalten im Stirn- und
Schläfenlappen die gleichen Regionen
anspringen - neben den für die
Bewegungsausführung selbst zustandigen
Gebieten. Es gibt hier eine Art von gemeinsamer
Kodierung für eigene und bei anderen
beobachtete Handlungen.
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- Auch wenn Gähnen ansteckt, arbeiten
diese Spiegelneuronen, wie Riitta Hari von der
Universität Helsinki im Sommer 2003
nachwies. Sahen Testpersonen einen Film mit
gähnenden Leuten, war em Bereich der oberen
Schläfenfurche aktiv, der zu diesem
Hirnsystem gehort. Dieselben Neuronen blieben
stumm, wenn die Testteilnehmer andere
Gesichtsausdrücke vorgeführt
bekamen.
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- Interessant dabei ist, dass diese Neuronen
sozusagen mitschwingen, auch wenn der
Zuschauende dann gar nicht gähnt. Im
Stirnhirn ist ein Hernmmechanismus lokalisiert,
der die Reaktion unterbindet. Das gilt für
nachahmendes Verhalten generell. Bei manchen
Hirndefekten funktioniert die Hemmung nicht
mehr. Diese Menschen imitieren zwanghaft die
Gesten anderer - oder auch deten sprachliche
Ausserungen.
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- Sich vom Gähnen anstecken zu lassen,
dürfte eine besondere Art des Nachahrnens
sein, die erst in der Evolution des Menschen
entstand. Sie geschieht zwar unwillentlich, doch
das Verhalten benutzt - wie Bewegungen uberhaupt
Imitationsneuronen der Hirnrinde. In dem
speziellen Fall tritt der Hemmmechanismus
allerdings nicht dazwischen. Vielleicht half
diese besondere Form von automatischer
Stimmungsübertragung den Hominiden, ihre
Gruppenaktivitäten zu synchronisieren, ohne
das Bewusstsein bemühen zu
müssen.
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