resolutionmini
 
Biographies de neurologues
 
Nouvelle Iconographie de La Salpêtrière
 
 L'histoire des neurosciences à La Pitié et à La Salpêtrière J Poirier
The history of neurosciences at La Pitié and La Salpêtrière J Poirier 
 
 
 

mise à jour du
12 novembre 2006 
Med Klin
1952;47(8):266-267
 Anfallsweises Gähnen
Franz Kuhn
 
Tous les articles en allemand sur le bâillement

logo

Paroxysmale Tachycardien bei Nacht sowie beim Bücken, morgendliche Müdigkeit, Zwangsgähnen, Appetitlosigkeit, SchweiBausbrüche, Akroparästhesien sind ein Komplex von Krankheitszeichen, der meist heute unter der Diagnose "Neurozirkulatorischs vegetative Dystonie" mit wechselvollem Erfolg behandelt wird.
 
Das Gähnen wird von den Kranken meist erst auf vorsichtiges (nicht suggestives!) Befragen erwähnt, ist jedoch regelmaBig stark ausgeprägt, so daB es der Umgebung oft auffällt. Gähnen ist m. E. als Primitivatmung aus phylogenetisch ältester Zeit aus dem Wasser-Kiemendurchtritt hervorgegangen und als Ausdruck einer hochgradigen (Mineral-?) Stoffswechselerschöpfung zu verstehen. Es kommt dabei unter Ansaugen von Luft, also mäBiger Inspiration, unter Hebung und Spannung des Gaumensegels (Levator und Tensor veli palatini) zu einer Oeffnung der Eustachischen Röhre und typischen Ohrgeräuschen (2. Kiemengang!).
 
Pupillenveränderungen beim Gähnen, gleichzeitiger TränenfluB, der durch häufigen Lidschlag dann wegbefördert wird, sowie nervöse Versorgung des Levator veli palatini (N. petros superficialis major) deuten auf einen unmittelbaren Zusammenhang des Gähnaktes mit dem vegetativen System hin. Im Mittelpunkt des Geschehens steht wohl das Ganglion sphenopalatinum. Bei dem eingangs gestchilderten Krankheitsbild, das J. Winkler, Krumbach, treffend als Irritations-dystonie bezeichnet, besteht ein ausgeprägter Reizzustand im vegetativen System.
 
Dieser Reizaustand, der sich u. a. durch dieses Zwangsgähnen, gefäBspastische Kopfschmerzen äuBert, führt im Halsteil zu den bekannten besonders beim Bücken und Lagewechsel auftretenden Tachycardien und stenocardischen Beschwerden, auffälligerweise ohne Blurdruckerniedrigung sondern meist verbunden mit gespanntem Puls. Aus diesem Reizzustand erklären sich auch die absterbenden Finger, die "rheumatischen" Schmerzen als Ausdruck der GefäBpasmen und die wechselnden Darmbeschwerden durch den Reizzustand im Bauchteil des vegetativen Systems. Psychisch findet man bei all diesen Kranken neben der Ermüdbarkeit, Interesselosigkeit, Adynamie, andererseits eine ganz auffällige Reizbarkeit, Aengstlichkeit, MiBmutigkeit.
 
Diese psychischen Veränderungen, die Apathie einerseits und die Reizbarkeit und Aengstlichkeit andererseits (y. Pfaundler) sowie auch das häufige Gähnen sind als pathognomonisch beim rachitischen Säugling und Kleinkind bekannt. Sie brachten mich mit der Beobachtung der NachtsthweiBe sowie der Feststellung der Tatsache, daB nur eigentich "Stubenhocker" von der Erkrankung betroffen werden, auf den Gedanken, eine Spätrachitis beim Erwachsenen anzunehmen. Auffällig erschien mir auch gleichzeitig das vermehrte Auftreten der Erscheinungen in sonnenarmen Jahreszeiten.
 
Eine auf Grund dieser Ueberlegungen eingeleitete energische antirachitische Behandlung mit sehr hohen Kalkdosen, ausgiebigen Höhensonnenbestrahlungen, Lebertran, Vigantol., A. T. 10 zeigte, daB die z. T. viele Monate lang behandelten Kranken meist schon nach wenigen Tagen eine weitgehende Bessrung ihrer Beschwerden erfuhren und nath Ablauf einer ca. 14tägigen Behandiung Müdigkeit, Gàhnen, Herzklopfen, NathtschweiBe, einschlafende Hände, anginöse Zustände etc. vollig verloren. Mit einer geringen Erhaltungsdosis der Medikation sind alle diese Kranken beschwerdefrei geblieben. Wahrscheinlich erklären sich auch Frühjahrsmüdigkeit sowie Wetter und Föhnempfindlichkeit (zus geringe elektrische Stabilität der Elektrolyte gegenüber Umwelt?) aus dieser domestikationsbedingten Stoffwechsellage.
 
Zusammenfassend handelt es sith nach meiner Auffassung bei dem mit Müdigkeit und häufigem Zwangsgähnen, Tachycardien, SchweiBausbrüchen und Akroparästhe-sien einhergehenden Krankheitsbild um eine der Rachitis und Spasmophilie nahestehende Stoffwechselstörung, die unter energischer antirachitisther Behandlung schon in wenigen Tagen zum Verschwinden kommt.
 
Dr. med. Franz Kuhn, Ichenhausen/Schwaben, Marktstr. 4.