resolutionmini
 
Biographies de neurologues
 
Nouvelle Iconographie de La Salpêtrière
 
 L'histoire des neurosciences à La Pitié et à La Salpêtrière J Poirier
The history of neurosciences at La Pitié and La Salpêtrière J Poirier 
 
 
 

mise à jour du
23 juillet 2006 
Münch. Med. Wschr.
1908; 55; 223-224
Das Gähnen
Geigel R
 Würzburg
Tous les articles en allemand sur le bâillement

logo

Braucht man es noch zu beschreiben, das Gähnen (Oscitatlo oder Oscedo, Chasmus): die langsame tiefe Inspiration mit nachfolgender etwas kürzerer Exspiration, das leise Gähnen lautlos, das laute mit hörbarem Geräusch beim In- oder Exspirieren oder bei beiden, das Ieichte mit weit geöffneten Nasenflügeln, das starke mit krampfhaft aufgerissenem Mund, der Atem dabei durch die Nase bei verschlossenem Gaumen oder bei weit offenem Gaumentor durch den Mund eingezogen, beim stärksten noch Recken und Dehnen der Rumpf- und Beinmuskulatur, dabei Erheben der gebeugten Arme mit geballten Fäusten? Und so aillbekannt diese eigentümliche Abart des gewöhnlichen Atmens ist, so völlig dunkel ist ihre physiologische Entstehung.
 
Man weiss nur: das Gähnen ist abhängig von psychischen Zuständen, von der Schläfrigkeit, der Langweile. Erb nennt mit Recht, "allbekannt die intensiv kontagiöse Wirkung von Gedanken an Gähnen oder dem Anblick desselben." Vielleicht ist das Gähnen abhängig vom Füllungszustand des Magens, es scheint zurzeit, wo die Mahlzeit erwartet oder ersehnt wird, bei manchen Personen sich gern einzustellen. Seine pathologische Bedeutung ist jedenfalls eine geringe und wohl nur auf das Gebiet der Hysterie beschränkt, wo, wie ähnliche koordinierte Krampfformen, wie Lach- und Weinkrämpfe, gelegentlich auch förmliche Anfälle von Gähnen in recht unangenehmer Weise auftreten können.
 
Hippokrates scheint nach einer kurzen Bemerkung das Gähn wohl auch als krankhaftes Symptom vor sich gehabt zu haben, vielleicht aber in der übertrieben hysterischen Form, denn er gibt em Gegenmittel dagegen an, das zugleich auch gegen das ängstliche Herumwerfen und das Schaudern der Kranken sich wirksam erweisen soll. Es ist dies der Trunk von gutem Wein, wie sich aus seinen Aphorismen (VII. 55) ergibt: (Anxietatem, oscitationem, horrorem vinum aequali aqua temperatum solvit), wobei zu bemerken ist, dass der zu gleichen Teilen mit Wasser verdünnte Wein bei den Griechen an Stärke etwa unseren gewohnlichen, guten, puren Weinen gleichgesetzt werden darf.
 
Ich habe das ärztliche Handwerk bel berühmten Meistern gelernt und bin in ihrer Werkstatt, so darf ich behaupten, nicht der faulste Lehrbub gewesen, aber ich erinnere mich nicht, aus ihrem Munde je etwas über das Gähnen bei der Analyse von Krankheitsbildern gehört zu haben. Trotadem kommt dem Gähnen, wie ich überzeugt bin, hier eine sehr wichtige Bedeutung zu und zwar in prognostischer Hinsicht. Darauf bin ich freilich nicht durch meine Lehrmeister gekommen, noch weniger von selbst, sondern es war eine Frau, durch die ich - vor langen Jahren schon - darauf aufmerksam wurde, eine Frau allerdings, deren von Haus aus ungemein klarer Blick, deren unbestechliche Objektivität der Beobachtung durch die nimmer rastende Sorge um ihre Kleinen, die Angst um die erkrankten aufs äusserste geschärft wurde. Mit einem Wort, es ist meiner Mutter, welche die ungemein günstige prognostische Bedeutung des Gähnens bei akuten fieberhaften Krankheiten ganz richtig erkannte. Sah sie, über das kleine Bettchen gebeugt, zum ersten Male wieder Gähnen, das behagliche Gähnen, so hielt sie die Gewalt der Krankheit für gebrochen und mit Recht.
 
Ich habe, hierdurch angeregt, auf dieses Zeichen geachtet und kann nach meiner persönlichen Erfahrung folgendes behaupten: Für gewöhnlich und bei Gesunden ist das Gähnen mit dem Ausdruck eines gewissen Behagens verbunden, auch dann wenn der Schlaf auf körperliche Ermüdung folgt, nicht dann, wenn Uebermüdung vorausging. Schon Säuglinge gähnen mitunter behaglich, wenn sie einschlafen wollen. Nur bei Ieichten akuten Affektionen geht Gähnen dem Schlaf vorher. Beim Ausbruch einer schweren Infektionskrankheit verfallen die Patienten in ihren unruhigen Fieberschlummer ohne Gähnen und erst wenn die Entfieberung sich vollzieht können sie unter Gähnen in Schlaf versinken, jetzt in einen ruhigeren, tiefen, erquickenden Schlaf. Bei Infektionen, die zum Tode führen, bleibt das Gähnen aus, der Todesschlaf wird nicht durch Gähnen eingeleitet. Gar manchmal habe ich vergebens dieses trostreiche Symptom erwartet, ersehnt; einen Taler habe ich halb im Scherz den Krankenschwestern versprochen für die, die das Gähnen beim wachenden oder halbschlumrnernden Kranken bemerken und mir melden sllte, es blieb aus und die Genesung auch.
 
Schwere Gehirnkranke verfallen in tiefen Schlaf, in Koma, in Sopor ohne vorher zu gähnen. Der Betäubung des Sensoriums bei Urämie, bei Coma diabeticum ist das Gähnen fremd, ebenso den schweren Vergiftungen mit Narkoticis. Ich erinnere mich nicht, jemals bei einer Chloroformnarkose Gähnen gesehen zu haben.
 
Nach alledem halte ich mich für berechtigt, es auszusprechen, dass Nichtgähnen zwar natürlich nicht an und für sich und unter allen Umständen ein ungünstiges Symptom ist, das wäre lächerlich, dass Gähnen aber im ganzen als ein ausserordentlich günstiges prognostisches Symptom angesehen werden darf, ja man möchte versucht sein, zu behaupten, dass man jedwede direkte Bedrohung des Lebens ruhig ausschliessen darf, wenn man einen Kranken gähnen sieht.
 
Mögen andere mit grösserem Wirkungskreis hierüber umfänglichere Beobachtungen anstellen, als es mir möglich war! Vermutlich wird es auch hier Ausnahmen geben, aber "exceptio firmat regulam", und dass es Regel ist, was ich hier behauptet habe, das glaube ich fest. Das Gähnen ist ein Zeichen von Langweile und kein Schwerkranker langweilt sich.
 
Tous les articles en allemand sur le bâillement