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Le bâillement, du réflexe à la pathologie
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 Le bâillement : un comportement universel
La parakinésie brachiale oscitante
Yawning: its cycle, its role
Warum gähnen wir ?
 
Fetal yawning assessed by 3D and 4D sonography
Le bâillement foetal
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mystery of yawning

mise à jour du
9 octobre 2006
 Arch Psychiatr Nervenkr
1981;230(1):81-89
lexique
An ethological interpretation of stereotypy induced by environmental stimulus
Durch AuBenreiz induzierte Stereotypie in ethologischer Sicht
Beckmann H, Zimmer R
Psychiatrische Klinik und Poliklinik der Universität München (Direktor: Prof. Dr. H. Hippius), Munchen, Bundesrepublik Deutschlan

Chat-logomini

Summary : Stereotyped behavior in the schizophrenic patient is described, provoked by yawning or fragments of this act in the environment. It consists of elements that, in an ethological sense are reminiscent of activities which increase vigilance and cleanse the body. It is suggested that yawning brings about a certain 'mood transfer' which induces this kind of specific stereotyped behavior. The adequacy of an ethological interpretation of these symptoms of disease is briefly discussed.
 
Zusammenfassung. Es wird stereotypes Verhalten bei einem schizophrenen Patienten beschrieben, das durch Gähnen oder durch Bruchstücke dieses Vorgangs in der Umgebung hervorgerufen wird. Es besteht aus Bewegungselementen, die - in ethologischer Betrachtung - an vigilanzsteïgernde Aktivitäten sowie an Reinigungsbewegungen erinnern. Es wird erwogen, ob es durch den Gahnvorgang zu einer Slimmungsubertragung kommt, die unter der Emwirkung des schizophrenen Prozesses das zwangsahnlich empfundene stereotype Verhalten auslöst.

Die Angemessenheit ethologischer Deutungen für derartige Krankheitssymptome wird kurz erörtert.


Einleitung : Unter Stereotypien verstehen wir em weites Spektrum starr und einförmig sich wiederholender Bewegungsabläufe, die wahrend verschiedenartiger Erkrankungen des Nervensystems, aber auch bisweilen beim Gesunden, auftreten und von einfachern Streichen, Schaukeln, Reiben u. a. bis hin zu differenzierten Bewegungsfoigen reichen können.
 
Ploog (1964) giiedert die rnotorischen Stereotypien in kompiexe Bewegungsweisen, Grundbewegungen und Primitivkoordinationen und sieht sie gegenUber der Vielfait rnoglicher rnenschlicher Bewegungsweisen ais pars pro toto eines aligemeinen Be wegungsdranges', die kein dynamisches, sondern em konstantes Verhältnis zur Umwelt und weder Leistungs- noch Ausdruckscharakter' haben (1957).
 
Kretschmer (1953) prägte den Begriff der Schabione' fur aile genormten Bewegungsweisen, die autonom und relativ formstarr ablaufen, gleichguitig ob sie in normalen oder pathologischen Zusamrnenhangen auftreten.
 
DerngegenUber differenziert Spoerri (1967) in Individual-, Soziai- und Prirnitivschabionen, wobei erstere (Stereotypien im engeren Sinne) einen komplexen Bewegungsabiauf zeigen, während Primitivschabionen aus einfachen Bewegungsabiäufen bestehen. Soiche fanden Birkmayer et ai. (1955) im Erwachen nach dem Eiektroschock. Piiieri und Poeck (1964) beschrieben eine Vieizahl arterhaitender und sozialer Instinktbewegungen' ais neuroiogische Symptorne bei cerebraiorganischen Abbauprozessen beim Menschen.
 
Die Interpretation der Stereotypien bei schizophrenen Patienten erfolgte bisher vornehmiich in zwei Richtungen:
 
1. Verstehend psychologische Deutung (Kläsi 1922; Homburger 1932). Dabei werden stereotype Bewegungsabiaufe ais ausdrucks-sinnhaitig oder zweckgerichtet (Spoerri 1967) angesehen, und es wird vermutet, daB es sich z. B. urn Abwehrbewegungen gegen Hailuzinationen, urn wahninduzierte Zerernonien oder anderes handeit. Die Primitïvschablonen bieten allerdings für soiche Deutungen wenig Ansatz und sind daher hier auszunehrnen.
 
2. Ethologische Erklärungsversuche, die schwieriger werden, je kornpiexer und differenzierter em Bewegungsabiauf ist. Hierbei wird im Sinne von Jackson (1884) davon ausgegangen, daB in der Phyiogenese praformierte Funktionsweisen sich zu komplexen Bewegungsabiaufen zusamrnenfugen und starnmesgeschichtlich ältere unter die Hemmung stamrnesgeschichtiich jüngerer Funktionen fallen. Bei verschiedenartigen Erkrankungen des Zentrainervensystems können demnach Funktionen einer phyiogenetisch äiteren Organisationsstufe durch krankhafte Enthemmung wieder zutage treten.
 
Das Ziel unserer Darstellung ist die Beschreibung und Diskussion einer Stereotypie, die auf einern bestimrnten Aufenreiz induziert wird und in sich gewisse Anhaltspunkte für ethologische Deutungsversuche enthält.
 
Kasuistik
 
H.P. wurde 1950 als 3. Sohn neben den 2 und 7 Jahre alteren Brudern in der eiterlichen Landwirtschaft geboren. Den Betrieb führte vorwiegend die Mutter, da der Vater nebenberuflich Viehhändier und auBerdem körperlich behindert war. Geburt und frühkindliche Entwickiung verliefen unauffallig. H.P. soll sich als Knabe nicht wesentlich von semen Geschwistern unterschieden haben. Er wird als stifles Kind bezeichnet, das durchschnittliche bis gute Leistungen in der Volksschule erzieite und sich auf dem eiterlichen Hof als wendig und geschickt erwies. Die stifle, aber nicht unintelligente Wesensart des Jungen wird von einem Lehrer mit den Worten: ,,Wenn's keiner weiB, weiB es der P., aber der sagt nichts" beschrieben. Seit fruhester Kindheit fiel eine starke Anhanglichkeit an die Mutter auf. Eine enge Beziehung sofl ebenfalls zum äitesten Bruder bestanden haben. Unter dessen EinfluB begann H.P. nach AbschluB der Volksschule eine Werkzeugmacherlehre. In semer Freizeit bevorzugte er in erster Linie sportliche Aktivitaten wie Schwimmen und FuBbalispielen. Vor Ausbruch der Erkrankung batte er an einem Englischkurs im Fernsehen teilgenommen.
 
Sexuelle Aktivitäten hat H.P. weder vor Ausbruch der Erkrankung noch spater entwickelt. Die somatische Anamnese war unaufiallig.
 
Bei einem Cousin mütterlicherseits wurde im Alter von 27 Jahren em Morbus Wilson diagnostiziert. Die Schwester dieses Cousins war mit 12 Jahren an "Schwarzer Gelbsucht (?)" verstorben.
 
Erkrankung und Verlauf
 
Im 16. Lebensjahr wurden bei H.P. allmahlich Einsilbigkeit, Ruckzugstendenzen, nachlassende Leistung am Arbeitsplatz sowie fehlende natürliche Bewegung beobachtet. Früher ein aktiver FuBballspieler, blieb er nun plotzlich aufdem Platz stehen und lief dem Ball nicht mehr nach. Er saB viel zu Hause im dunklen Zimmer und starrte vor sich bin, schwieg stundenlang.
 
Bei der ersten stationären Untersuchung im Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München, im Jahre 1966 fielen em dysplastischer, longocephaler Schädel, eine leichte Prognathie, gebeugte Haltung von Kopf und Schultern sowie aligemeine Abmagerung auf. Psychopathologisch standen Ratlosigkeit, stumpfer Affekt, Antriebshemmung und submutistisches Verhalten ohne Hinweise auf produktive psychotische Symptomatik im Vordergrund.
 
Diagnostisch wurde eine Schizophrenia simplex erwogen. 1967 erneute stationäre Aufnahme mit ahnlicher Symptomatik in einer auswärtigen Klinik. H.P. wirkte zu diesem Zeitpunkt äuBerlich vernachlassigt. Wegen eines fast stuporosen Zustandes erfolgte Sondenernahrung.
 
Diagnostisch wurde nun vor allem wegen der starker im Vordergrund stehenden Bewegungsanomalien (s. u.) em kataton-hebephrener ProzeB erwogen. Unter Neuroieptikagabe erfolgte ailmählich Besserung des Zustandes. H.P. bestand nach Entiassung eine AbschluBprüfung ais Werkzeugmacher. Da er diesen Beruf nicht welter ausüben wollte, nahm er eine Stelle ais Anlernling in einer chemischen Fabrik an. 1971 wurden während der ambulanten nervenärztlichen Betreuung erstmais paranoide Denkinhalte in Form von Vergiftungsideen bemerkt. 1975 erfolgte die stationäre Aufnahme in die Psychiatrische Universitàtsklinik Munchen, da er sich am Arbeitsplatz uberfordert fiihite. Psychopathologisch fieicn Körperhalluzinationen und Fremdbeeinflussungsideen auf. Bestimmten Zahien- und Farbkombinationen ordnete er Bedeutungen zu. Uberdies bestanden abstruse Vorstellungen von einem Leben auf einer Insel mit polygamem und homosexuellem Sexualleben in einem modern technisierten, paradiesischen Zustand. Voile WahngewiBheit war nicht immer mit Sicherheit zu erkennen. Formale Denkstorungen waren nur diskret vorhanden. Obwohi, abgesehen von der durch die Mutter getragenen, schUtzenden Familiensituation, sozial voiiig isoiiert lebend, konnte er semen Arbeitsplatz unter Wohiwolien der Firma bisher beibehalten. Bei der letzten Untersuchung 1m FrBhjahr 1979 bestand die Symptomatik unverandert fort.
 
Ergebnisse
 
Psychologische Testergebnisse
 
1m Hamburg-Wechsler-Intelligenztest (HAWIE) erreichte H.P. einen Gesamt-IQ von 94 bei einem Verbal-IQ von 100 und einem Handlungs-IQ von 89, was aufeine durchschnittliche intellektuelle Leistungsfahigkeit, aber auch einen diskreten hirnorganischen AbbauprozeBweist. Die konzentrative Belastung war vermindert.
 
Im Whitaker Index of Schizophrenic Thinking zur Erfassung von Assoziationsstörungen lag H.P. 4 Punkte über dem kritischen Wert.
 
Laboruntersuchungen
 
Die labortechnischen Untersuchungen der Körperflussigkeiten einschlieBlich Lues-Serologie, Coeruloplasmin- und Kupferbestimmung sowie Schilddrüsendiagnostik waren unauffallig.
 
Das im Jahr 1966 und 1975 durchgefuhrte Luftencephalogramm sowie das Angiogramm der HirngefaBe (1975) zeigten keine pathologischen Befunde.
 
Das Elektroencephalogramm (insgesamt 8 Abteilungen) war stets abnorm. Es fanden sich jeweils leichtere Allgemeinveranderungen und bilaterale Storungen (in Hyperventilation Aktivierung von bilateralen 5/s-Serien. Nach 5 min 3-4/sGruppen, nach Ende der Hyperventilation diffuse 5-7/s-Gruppen).
 
Entwicklung und Verlauf der Stereotypien
 
Zum Zeitpunkt des Krankheitsbeginns im Jahre 1966 fiel zunächst auf, daB H.P. sich von Zeit zu Zeit mit dem HandrUcken über die Lippen fuhr. Auch wurde em wurgendes Schlucken beobachtet. 1967 trat vorubergehend em Waschzwang auf. Danach war em Husten durch die Nase und em ständiges Speichelabwischen am Armel zu beobachten. Im selben Jahr wurde der zeitliche Bezug dieser Verhaltensauffalligkeiten zum Gähnen von Personen in Umgebung des Patienten bemerkt. 1970 heifit es in den NotizendesbehandelndenNervenarztes: SobaldH.P. jemand in semer Umgebung gahnen sieht, beginnt er durch den Mund zu atmen, führt eine Art Mund- und Nasenspulung durch, indem er Wasser durch Mund und Nase zieht. Nach AbschluB dieser Spulungen kann er die vorher begonnene Tätigkeit fortsetzen."
 
Ab 1971 machte H.P. bei Beobachtung von Gähnen in semer Umgebung keine Mund- und NasenspUlungen mehr, sondern hielt nur noch die mit Wasser gefullte Hand vor Mund und Nase und atmete tief durch. 1973 erfolgte Anderung der Stereotypie in der Weise, daB er bei beobachtetem Gahnen an seinem Hosengurtel zog und dabei rekeinde Bewegungen durchführte. 1974 Erweiterung der auslösenden Reize: neben Gähnen wirkten audi tiefes Atmen und im Fernsehen beobachtetes Mundaufsperren auslösend. Im gleichen Jahr wiederum Anderung der Bewegungsfolge: H.P. fuhr sich mit dem HandrUcken zunächst über den Mund, machte dann mit beiden Händen Wisch- und Reibebewegungen an den Augen, führte dann mit gebeugten Armen reibende Bewegungen an den Oberarmen aus (Abb. 1-9). Bei der stationären Behandlung im Jahre 1978 und der ambulanten Nachuntersuchung 1979 war dieser Bewegungsablauf noch zu beobachten. H.P. war in der Lage, die Bewegungsfolge auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben, konnte sie aber nicht ganz unterdrUcken. Das Verschieben löste stärkere Unruhe und Angst in ihm aus.
 
Nach Angaben der Mutter ist H.P. nach Beobachtung von Gähnen in semer Umgebung unruhig und unkonzentriert, nach DurchfUhrung der Bewegungsfolge aber gelost. Aus den Angaben von H.P. geht hervor, daB er das Gähnen als eine drohende Gefahr von aul3en ansieht. Er meint, die Gähnenden wollen ihm seine Gedanken wegnehmen. Em anderes Mal erklärt er, die Bewegungen führe er durch, damit die ,,eigenen Anschauungen Gültigkeit" bekämen. Die Bewegungen maclit er angeblich ungern, bekomme aber dadurch ,,Kraft". Der Fehler liege semer Ansicht nach bei dem, der gähne.
 
Der Versuch eines verhaltenstlierapeutisclien Therapieprogramms wurde wegen Verstarkung der Symptomatik abgebrochen. Auch die Behandlung mit Neuroleptika brachte keine wesentliche Erleichterung. Eine über Jahre durcigefUührte Penicillamin-Therapie war oline erkennbaren Wert.
 
Der Ablauf und die Art der Bewegungsstereotypien im Beobachtungszeitraum von 12 Jahren sind nicht konstant. In chronologischer Reihenfolge werden folgende Bewegungsarten beobachtet:
 
1. wurgendes Schlucken und Wishbewegungen über den Mund, 2. kurzfristiger Waschzwang,
 
3. Husten durch die Nase und Speichelabwischen am Armel,
 
4. Wasserspulung durch Mund und Nase, spater wird nur noch die wassergefüllte Hand vor den Mund gehalten und tief eingeatmet,
 
5. Ziehen am HosengÛrtel und rekeinde Korperbewegungen,
 
6. H.P. fahrt mit dem Handrücken über den Mund, reibt Augen und Oberarme.
 
Diskussion
 
Trotz der leicht abnormen EEG-Befunde und des diskreten Hinweises auf einen hirnorganiscien AbbauprozeB im HAWIE ist unter Gesamtwürdigung von Anamnese und psychopathologischem Befund am Vorliegen einer schizophrenen Erkrankung mit chronischem Verlauf nicht zu zweifeln. Die bestehende Integration in der Familie und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn auch in der Rolle eines verschrobenen Sonderlings, erscheint bemerkenswert, widerspricht aber nicht der Diagnose.
 
Die anfanglich gestellte Diagnose einer Schizophrenia simplex wurde in den letzten Jahren nicht beibehalten, sondern es wurde eher an das Vorliegen eines schizophrenen Defektes gedacht. Das Krankheitsbild paBt unseres Erachtens gut zu der Beschreibung der Manirierten Katatonie' von Leonhard (1957).
 
Bei der beschriebenen motorischen Stereotypie kann die auslösende Situation über einen längeren Zeitraum genau definiert werden. Sie besteht in der Wahrnehmung eines Gähnvorgangs in der Umgebung. In späteren Stadien der Erkrankung sind aber auch Teilvorgange des Gähnens, wie tiefes Einatmen, Fuhren der Hand zum Mund oder em offener Mund im Fernsehen induzierend. Der zeitliche Zusammenhang zwischen auslosendem Reiz und Bewegungsstereotypie ist nicht von Krankheitsbeginn an sicher belegt, so daB es möglich bleibt, daB diese zunachst umgebungsunabhangig aufgetreten ist.
 
Die einzelnen Bewegungsstereotypien persistieren in unveränderter Form jeweils l-2 Jahre. Die Frequenz pro Tag ist schwankend, sie hängt einerseits vom Angebot der Gähnvorgange in der Umgebung ab, andererseits offenbar von einer sich ändernden Reaktionsbereitschaft auf seiten des Patienten. Während so H.P. meist nur auf offensichtliches, unverhohlenes Gähnen seine Stereotypie ablaufen lassen muB, genugen bisweilen einzelne Elemente des Gähnvorgangs, um den Bewegungsablauf zu induzieren.
 
Eine Abgrenzung derartiger Stereotypien gegenüber Zwangshandiungen hat Feer (1973) versucht und betont, daB letztere einer bisher nicht näher verständiichen Storung der eigenen Person entsprechen, Stereotypien aber dem Patienten von auBen aufgedrangt werden. Wir haben allerdings in der Klinik nicht haufig Hinweise für diese Annahme gewinnen können.
 
Leonhard (1970) sieht in den manirierten Stereotypien einen Ausfall der Wilienskraft der Abschaltung mit einer Unfähigkeit zur EntschiuBbildung. Damit postuliert er - siehe auch Bochnik und Richtberg (1980) - ähnliche psychologische Mechanismen wie für die Zwangskrankheit, die er haufig am Anfang einer maniriert-katatonen Psychose oder auch als Verdünnungsform in der Sippe der Erkrankten findet. Bei Fortschreiten des kataton-schizophrenen Prozesses mit volligem Ausfall der EntschluBbildung werden nach dieser Auffassung aus den Zwangshandlungen Automatismen, die nicht mehr willkürlich aufgegeben werden können.
 
Betrachtet man die beschriebenen Bewegungsabiaufe unter ethologischen Gesichtspunkten, so faut auf, daB diese vorwiegend Bruchstücke aktivitätsvorbereitender MaBnahmen und Reinigungsbewegungen darstellen, wie sie auch im Tierreich als genetisch fixierte und tradierte Strukturen im Sinne von Trieb- und Instinkthandlungen vorkommen.
 
Die Besonderheit der vorliegenden Stereotypie besteht in ihrer Bindung an das Gähnen oder an Eiemente dieses Vorgangs in der Umgebung. Hierbei ist daran zu erinnern, daB bestimmte Instinktbewegungen die angeborenen Auslösemechanismen des Partners ansprechen, also sozial ,,ansteckend" wirken, indem sie gleichsam durch ,,Stimmungsubertragung" zu ähnlichen Verhaitensweisen bei Artgenossen fuhren. Auch das Gähnen, das unter Wirbeitieren sehr verbreitet ist, gehort zu dieser Art von Instinktbewegungen (Ploog et al. 1963). Selbach und Selbach (1953) haben das Gähnen als Teil eines Rekelsyndroms beschrieben und gefolgert, daB dieses immer dann auftrete, wenn die Erregbarkeit des Atemzentrums vermindert ist und mit Hilfe vermehrter Bildung zentralaktivierenden Kohlendioxyds auf eine höhere Leistungsstufe gebracht werden soll.
 
Vor diesem Hintergrund ware nun zu erwägen, ob nicht eine solche, durch das Gähnen hervorgerufene Stimmungsübertragung auch bei unserem Patienten Trieb- oder Instinktpartlale von Bewegungsmustern, die der Aktivitätsvorbereitung und der Korperpflege zugeordnet sind, aktiviert werden. Das Rekeln und die Augenwischbewegungen können so als Bewegungen verstanden werden, die der Schlaf- und Müdigkeitsvertreibung sowie der Vigilanzerhohung dienen.
 
Wischen Uber den Mund, Händewaschen, Wasserspülung durch Mund und Nase sind Korperpflegebewegungen im eigentlichen Sinne. Man wird aber auch an solche erinnert, wenn H.P. sich mit dem Handrücken uber den Mund fährt und die AuBenseite der Oberarme alternlerend reibt.
 
Eibl-Eibesfeldt (1957) entnehmen wir, daB für die Korperpflegebewegungen beim Sauger Vorder- und Hinterextremitäten, Lippe und Zunge verwendet werden. Vorderpfoten bzw. Handbewegungen werden zum Uberstreichen, Durchkammen, Anfeuchten der Haare und dem Wischen unbehaarter Stehen verwandt. Bei den Nagern werden die Pfoten in der letzten Phase des Vorgangs mit einer Zungendrehbewegung gesaubert und mit Speichel benetzt. Das Kratzen, das meist alternierend durchgeführt wird, wird mit den Hinterpfoten und bei höheren
 
Prirnaten mit den Händen durchgefuhrt. Diese Bewegungsablaufe sind Reinigungsmechanismen fur das Haarkieid (,,Kornfortbewegungen").
 
Wenn H.P. das Gähnen ais angstauslosend eriebt und glaubt, die Gähnenden wollten ihm seine Gedanken wegnehmen, da sie anderer Ansicht seien als er, so ist anzunehmen, daB die Angst eher durch die Zwangsausiosung entsteht, während die Interpretation dem Kausalbedürfnis des Patienten entspricht. Die Durchfuhrung der spannungsverzehrenden Handlung ais Stereotypic, die nach dynamischen Gesetzen zur Abnahrne der vorhandenen Erregung führt, eriebt er als befreiend und starkend.
 
Es scheint hier etwas anderes vorzuiiegen als das in der Ethoiogie bekannte Phänornen der Ubersprungshandiung (Tinbergen 1940), das bei gleichzeitiger Aktivierung zweier widerstreitender Triebe auftreten kann. Hierbei handelt es sich um meist unvolikommene Intentionsbewegungen oder Bruchstücke derselben. So kommt es bei bestimrnten Vogelarten vor, daB sie im Widerstreit von Aggression und Fiucht plotzlich ihr Gefieder putzen, Nestmaterial rupfen oder Schlafsteilungen einnehmen. Beim Menschen wurde von Bilz (1941) das Veriegenheitskratzen als Ubersprungsbewegung interpretiert. Seiss (1965) deutete das Wischen, Tasten, Brauen- und Haarstreichen bei öffentlich Vortragenden ebenfalls so.
 
Aus der experimentellen Psychoseforschung ist bekannt, daB zentrai erregende Pharmaka wie Amphetamin, Apomorphin u. a. beim Menschen und bei Versuchstieren Storungen der soziaien Interaktion, des Schlafverhaltens, der Stimmung und des Antriebs hervorrufen. Beim Menschen sind Stereotypien und paranoid-halluzinatorische Psychosen (Connell 1958) unter Weckamineinnahme ebenso beschrieben wie Korperpflegebewegungen, kataleptische Starre, Kratz-, Kiefer- und Zungenbewegungen (Ellinwood et al. 1973). Auf die Ahnlichkeit zwischen Weckamin-Psychosen und paranoid-halluzinatorischen Psychosen ist verschiedentlich hingewiesen worden (Beckmann 1978). Es ist denkbar, daB die für einige Formen der Schizophrenic evidente zentrainervöse Erregung die Willenskräfte der Abschaltung und der EntschluBbildung Uberflutet und sich die überschussige Spannung in phylogenetisch alte Instinktbewegungen entladt.
 
DaB gerade diese für die Spannungsentladung bereitliegen, könnte auf der in den Elektroencephaiogrammen und der psychologischen Testung erwiesenen diskreten organischen Hirnschadigung beruhen, die die sonst unter der Hemmung jüngerer Zentren liegenden Sequenzen von Instinktbewegungen entzugelt hat.
 
Das Unverstandnis des Patienten selbst fur diese Stereotypien sowie deren erfolglose Erklarungsversuche aus der aktuellen Situation oder vor dem lebensgeschichtlichen Hintergrund unterstreichen schlieBlich die Vermutung, daB die ethologische Beobachtungsweise der Ansätze für das Verständnis dieser so befremdlichen Krankheitssymptome bietet als die verstehend-psychologische Deutung.
 
 Tous les articles en allemand sur le bâillement

Derived activities: their causation; biological signifiance, origin and emancipation during evolution
Tinbergen N Quart Rev Biol 1952;27:1-32
 
An interpretation of the "displacement phenomenon"
Bindra D British J Psychology 1959:32:236-268
 
Displacement activities and arousal
Delius J Nature-1967;214:1259-1260
 
Displacement activities as a behavioral measure of stress in nonhuman primates and human subjects
Troisi A Stress 2002;5(1):47-54
 
A modest proposal: displacement activities as an indicator of emotions in primates
Maestripieri D, Schino G, Aureli F, Troisi P Anim Behav 1992;44:967-979
 
The effects of fluoxetine and buspirone on self-injurious and stereotypic behavior in adult male rhesus macaques
Fontenot MB, Padgett EE et al Comp Med 2005;55(1):67-74
 
Effects of outdoor housing on self-Injurious and stereotypic behavior in adult Male Rhesus Macaques (Macaca mulatta)
Fontenot MB, Wilkes MN, Lynch CS J Am Ass Laboratory Animal Science 2006; 45(5):35-43
 
Extinction deficits in male rhesus macaques with a history of self-injurious behavior
Lutz C, Tiefenbacher S, Meyer J, Novak M. Am J Primatol 2004;63(2):41-48
 
Inhibition of social behavior in chimpanzees under high-density conditions
Aureli F, de Waal FB Am J Primatol 1997;41(3):213-28
 
Frequencies and contexts of gape yawn displays of free-ranging Patas Monkeys
Zucker EL, Gerald MS, Kaplan JR Am J Primatol 1998;45(2):215
 
Pandiculation: the comparative phenomenon of systematic stretching
Fraser AF Appl Anim Behav Sci 1989;23:263-268
 
 An ethological interpretation of stereotypy induced by environmental stimulus
Beckmann H, Zimmer R Arch Psychiatr Nervenkr 1981;230(1):81-89
 
Revue sur le comportement de bâillement chez les vertébrés.
Deputte BL Bull interne société française pour l'étude du comportement animal.1974;1:26-35.
 
Uber das Gähnen bei Vögeln
Bergmann H Die Vögelwelt 1966;87(5):134-138
 
Zur Frage des Gähnens bei der Vögel
Löhrl H Die Vögelwelt 1967;88(3):85-86
 
Maintenance activities
Dilger W Zeitsch. Tierpsychologie 1960;17:649-685
 
Yawning in the Greenfinch
Harrison JO AUK 1968;55:511
 
Yawning and other maintenance activities in the South African Ostrich
Sauer EG, Sauer EM The Auk 1967;84:571-587
 
Zum geruchlichen Beutefinden und Gähnen der Kreuzkröte
Heuser H Zeitschrift für TierPsychologie 1958;15:94-98
 
New evidence for a locus coeruleus norepinephrine connection with anxiety.
Redmond DE, Wang Y Life Sciences 1979;25(26):2149-2162
 
Limbic-midbrain lesions and acth-induced excessive grooming
Colbern D et al. Life Sciences. 1977;21:393-402
 
Aggression does not increase friendly contacts among bystanders in geladas (Theropithecus gelada) Leone A, Mignini M, Mancini G, Palagi E. Primates. 2010;51(4):299-305.