In seinem Buch "Das sogenannte Böse -
Zur Naturgeschichte der Aggression" weist K.
Lorenz auf eine taxonomisch wichtige
Feststellung seines Lehrers O. Heinroth hin:
Weder Vogel noch Reptilien gähnen (p. 145).
Lorenz bezieht sich dabei wohl auf eine Arbeit
Heinroths aus dem Jahre 1930. In seine
allgemeinverständliche Darstellung "Aus dem
Leben der Vogel" hat Heinroth das Gähnen
nicht aufgenommen.
Dazu muB man wissen, was Heinroth und Lorenz
Gähnen verstehen: Ein weites Offnen des
Maules, geichzeitig tiefes Einatmen und eine
Streckbewegung. Bei sehr vielen anderen Autoren
und auch in dieser Arbeit ist aber mit
Gähnen nur das weite Aufsperren des Maules
oder des Schnabels gemeint. Dieser Gebrauch
folgt dem unmittelbaren Sinn des lautmalerischen
Wortes (vgl. yawning im Englischen) und hilft
vielleicht, unnötige Diskussionen und
scheinbare Unstimmigkeiten zu vermeiden.
Die Tatsache, daB bei den Sauropsiden
(Reptilien und Vögel) die gleichzeitige
Streckbewegung und das Einatmen fehlen, ist
unbestreitbar und auffällig genug. Bei
Säugetieren und nicht zuletzt beim Menschen
findet man alle drei Komponenten in synchroner
Koordination. Die bekanntlich ansteckende
Wirkung des Gähnens ist allerdings auf den
Menschen beschränkt (Lorenz mdl. Mitt.).
Andererseits weiB jeder Fischkenner, daB viele
Fische nicht selten ohne ersichtlichen AnlaB das
Maul weit aufsperren und wieder schlieBen
(Heinroth 1930; Baerends & Baerends 1950),
womit Reckbewegungen verbunden sein können.
Tembrock (1964) faBt deswegen Gähnen und
Reckbewegungen unter dem Begriff des
Räkelsyndroms zusammen. SchlieBlich ist
auch bei der zu den Amphibien gehörenden
Kreuzkröte (Bufo calamita) eine
Gähnbewegung nachgewiesen worden (Heusser
1958), die besonders in Blockierungssituationen
auftrat. Auch bei Fischen (Fiedler 1964; eig.
Beob.) und Säugern (Leyhausen1956; P. &
I. Kunkel 1964; Eibl- Eibesfeldt 1953) sieht man
das Gähnen als deplazierte Handlung "im
Ubersprung".
Im folgenden soll nun einiges Material
über die Verbreitung der reinen
Gähnbewegung bei Vögeln
zusammengetragen werden. Das ebenfalls
vorhandene Sichrecken und Flugelstrecken erfolgt
nie gleichzeitig, kann aber unmittelbar
vorhergehen oder sich anschlieBen.
Podicipedae
Podiceps greigena: U. Wobus (1964) schreibt,
daB der Rothalstaucher während langer
Ruheperioden (besonders beim Brüten) oft
"herzhaft" gähnt (dazu seine Abb. 49).
Phalacrocoracidae
Phalacrocorax carbo: Kortlandt (1940) sah
beim Kormoran unterschiedliche Gähnformen,
die er gemeinsam mit den Streckbewegungen unter
die "allgemeinen Intentionsbewegungen"
einordnet.
Phasianidae
Tetrao urogallus: F. Müller (Fulda)
berichtete mir, daB er den Auerhahn nicht selten
gähnen sah.
Gallus gaIIu spadiceus: Diese Hühner
gähnen nach Kruijts Beschreibung (1964)
folgendermaBen: Der Hals wird vertikal
gestreckt, der obere Schnabelteil wird
aufwärts gebogen, während der untere
in normaler Stellung bleibt. Darauf folgen
Schlucken und SchnabelschlieBen.
Rallidae
Fulica atra: Einmal beobachtete ich, wie ein
BläBhuhn deutlich eine gähnende
Bewegung vollführte. Kornovski(1957)
bespricht in semer Arbeit weder Streckbewegungen
noch das Gähnen.
Scolopacidae
Numenius arquata: von Frisch (1964)
beschreibt die Koordination beim
GroBen Brachvogel: "Dabei wird der Schnabel
maximal geöffnet. Während der Schnabel
offen ist, streckt sich die obere
Schnabelhälfte, das heiBt, der gebogene
Vorderteil wird für Sekunden fast
gerade."
Cuculidae
Cuculus canorus: Der Kuckuck gähnt
ebenfalls mit dem Oberschnabel
(F. Müller Fuida, mdl.).
Strigidae
Glaucidium passerinum: Beim Sperlingskauz
habe ich das Gähnen selbst gesehen. Der
entsprechende Passus wurde aber nicht in unsere
Arbeit (1965) aufgenommen. Ebensowenig findet
man etwas darüber bei Klaus, Vogel &
Wiesner (1965), doch teilte mir der erstgenannte
Autor (briefl.) mit, daB er ein "Gähnen"
mehrfach beim Weibchen beobachten konnte. "Der
Vogel reiBt dabei den Schnabel welt auf und
richtet den geöffneten Rachen nach oben...
Ein Zusammenhang mit dem Gewölleausspeien
lieB sich nicht feststellen."
Athene noctua: Frau Dr. Chr. Buchholtz die
selbst einen Steinkauz hält, sah ihn hin
und wieder gähnen (mdl. Mitt.). E. Gerstner
(Marburg) bestätigte das aus eigener
Anschauung an einem ebenfalls gefangen
gehaltenen Steinkauz.
Strix aluco: Auch der Waldkauz soil
kräftig gähnen (F. Muller, Fulda, mdl.
Mitt.).
Caprimulgidae
Caprimulgus europaeus: Portamnn(1956) bildet
auf Seite 10 die Fotografie eines gähnenden
Ziegenmelkers von E. Hosking ab. Hiernach ist
die Abb. 1 dieser Arbeit gezeichnet. Man
beachte, daB der Vogel dabei die Augen fast
geschlossen hat und daB die Bewegung sich
hauptsächlich nach oben richtet. Zum
Vergleich in Abb. 2 die voIle Abwehrstellung des
Ziegenmelkers, gezeichnet nach einem Foto
Heinroths in V. Lucranus (1925), p.39 (vgl.
Heinroth, O. u. M.: Die Vogel Mitteleuropas, Bd.
1, Tafel 97, Abb. 7, Berlin 1926).
Apodidae
Apus apus: Zwei junge Mauersegler, die ich
gerade aufziehe, zeigen nicht selten em groBes
Gähnen mit weit geöffnetem Schnabel.
Daneben scheint es ein kleines Gähnen zu
geben, bei dem nur der Oberschnabel ein wenig
gehoben wird. Beide Verhaltensweisen traten oft
in der gleichen Situation wie Sichstrecken,
Sichputzen und Sichkratzen auf, ohne mit diesen
Bewegungsweisen koordiniert zu sein.
Apus melba: Arn-Willi (1960) beschreibt das
Gähnen des Alpenseglers: "Es ist em
richtiges herzhaftes Gähnen. Man sagt:
Gähnen stecke an; das habe ich selber
gegenüber einem gähnenden Alpensegler
mehr als einmal erfahren. " Dazu findet man em
Bud auf Tafel XX, Abb. 47, p.200.
Picidae
Picus canus: Blume (1965) stellte beim
Grauspecht nicht nur Streckbewegungen fest,
sondern auch in einem Fall
gähnend-würgende Bewegungen mit
maximal aufgesperrtem Schnabel nach unten.
Emberizidae
Melospiza melodia: Beim Singammer tritt die
Bewegung nach M. M. Nice (1943) vom 5. oder 6.
Lebenstag an auf und ist relativ selten.
Ploceidae
Passer montanus: Beim Feldsperling "gehen
Schnabelreinigen, Gähnen, Strecken, Putzen
und Kratzen in der für Singvögel
üblichen Weise vor sich" (Deckert
1962).
Fringillidae
D. Blume machte mir folgende briefliche
Mitteilung: "Das Gàhnen bei
Körnerfressern, z. B. Zeisigen u. a.,
hängt meinen Beobachtungen nach mit Lage
und Zustand des Kropfes zusammen. Die
Gähnbewegung bringt u. U. den Kropf in die
richtige Lage. Wenn Zeisige einige Stunden am
Tage kein Wasser bekommen haben, so zeigen sie
Schnabelsperrbewegungen, die an Gähnen
erinnern. Möglicherweise ist das eine
Reaktion auf den trockenen Kropf."
Corvidae
Coloeus monedula: Strauss(1939) bemerkte bei
Dohlen häufiges Gähnen, wenn man sie
aus dem Schlaf weckte.
Diese Liste ist weit davon entfernt,
vollständig zu sein. Jeder Leser
ornithoIogischer Literatur und vor allen Dingen
jeder Beobachter wird ihr manches
hinzufügen können. Nice (1943) zitiert
allgemeine Angaben von Herrick, der
Gähnbewegungen bei Pelikanen, Möwen
und Adlern sah. v. Lucanus (1925) ist das
Gähnen nur von GroBpapageien bekannt
geworden.
Zusammenfassend ist festzustellen, daB bei
Vertretern vieler verschiedener Vogelordnungen
"eineGähnbewegung gesehen wurde. Bei den
übrigen mag sie fehlen oder bisher
übersehen worden sein. Gerade aus diesem
Grunde wäre es gut, wenn der Feldbeobachter
und der Tierhalter sein Augenmerk auch auf
solche etholngischen Feinheiten richten
würde. Auch die übrigen
Angehörigen der oben genannten Gruppen
sollten überprüft werden.
Allerdings gibt es bei verschiedenen
Vogelgruppen eine Reihe ähnlicher
Koordinationen, die man nicht mit dem
Gähnen verwechseln darf. Hierher
gehört einmal das Sperren der
Jungvögel, andererseits droht oder
imponiert auch eine Anzahl von Vogelarten mit
aufgesperrtem Rachen. Diese Bewegung wird
häufig noch durch em auffälliges
Färbungs-muster des Schnabelinneren
unterstützt (Armstong 1965). Es handeit
sich hier um Signalbewegungen, die im
Sozialverhalten ais Auslöser wirksam
werden. In der Stammesgeschichte der Arten haben
sie sich vermutlich aus anderen Bewegungen unter
Form- und Funktionswechsel entwickelt und
Ausdruckswert angenommen. Solch einen Vorgang
nennt man Ritualisation. Welches nun die
Ausgangsform für diese anderen Bewegungen
gewesen ist, muB von Fall zu Fall untersucht und
entschieden werden. Doch ist es
unwahrscheinlich, daB es in jedem Fall das
Gähnen war, wie Portmann (1953) es
andeutet. Auch das Sperren der Jungvögel
und überhaupt das Schnabelöffnen bei
Nahrungsaufnahme, im BeiBkampf und bei
LautauBerungen sind in Betracht zu ziehen.
Eigentliches Gähnen bei Vögeln
unterscheidet sich von ritualisiertem
Schanbelsperren in dreierlei Hinsicht:
1. Es hat eine bestimmte zeitliche
Ausdehnung und einen charakteristischen,
stereotypen Verlauf.
2. Es ist nicht auf ein Objekt
gerichtet.
3. Es tritt vielfach in Ruhesituationen oder
beim Ubergang von Ruhe zur Aktivität auf
und ist oft vergesellschaftet, aber nicht
synchron koordiniert mit Reckbewegungen.
Uber die Funktion des Gähnens hat man
beim Menschen einige Vorstellungen, die
vielleicht auch für die Säugetiere
allgemein gelten. Man nimmt an, daB es sich
ebenso wie bei den Streckbewegungen um
stoffwechselphysiologisch bedingte
Verhaltensabläufe handelt (Tembrock 1964).
Durch die auftretenden Bewegungen werden
Kreislauf und Muskelstoffwechsel aktiviert.
Inwieweit aber diese Hypothesen auch
Gültigkeit für die Gähnbewegungen
der übrigen Wirbeltiere einschlieBlich der
Vogel haben können, ist wohl noch nicht
untersucht.
Wenn es sich bewahrheiten sollte, daB das
typische Gähnen bei einigen Vogelgruppen
sehr selten ist, muB man sogar damit rechnen,
daB es in rudimentärer Form vorliegt und
eine bedeutsame Funktion nicht vorhanden
ist.
Summary
According to Heinroth's definition birds and
reptiles do not yawn. They just exhibit a gaping
of their bills and muzzles respectively without
simultaneous stretching and inhaling. This
gaping movement is called "yawning" here. It has
been found in several groups of birds, a
preliminary list of which is given above. It
should be clearly distinguished from other
gaping movements which have been ritualized. It
is supposed that yawning is not the only source
of ritualized gaping movements in
phylogeny.
The yawning of birds may be characterized by
the following features:
1. It has a certain temporal and spatial
pattern, the bill being widely opened and closed
thereafter. Sometimes the stage of maximal
distension of the jaws is extended for a short
time. Simultaneously the eyes may be closed to a
certain extent.
2. It is not directed to any object.
3. It appears frequently in the same
situation as preening, stretching, and other
comfort movements without being coordinated with
them.
Die Vogelwelt
1967;88(3):85-86
Zur
Frage des Gähnens bei der
Vögel
Löhrl H
Vor kurzem gab H. H. Bergmann (1966) in Heft
5 dieser Zeitschrift eine Ubersicht über
das Gähnen von Vogeln aufgrund von
Literaturnotizen und eigenen Beobachtungen.
Bergmann bemühte sich dabei, mögliche
Verwechslungen mit dem Gähnen
auszuschalten. Dabei erwähnte er vor allem
das Sperren und das Drohen mit geöffnetem
Schnabel. Ich glaube indessen, daB kein
einfahrener Beobachter in die Gefahr kommt,
diese beiden Vorgänge mit Gähnen zu
interpretieren, weil sie, wie der Verfasser
richtig schreibt, auf ein Objekt gerichtet
sind.
Es gibt jedoch eine dem Gähnen sehr
ähnliche Bewegung, die sicher oftmals gar
nicht in ihrer Bedeutung erkannt werden kann.
Nicht nur Eulen, sondern auch wohl alle
insektenfressenden Kleinvögel reiBen, bevor
sie Gewölle bzw. Speiballen auswerfen, den
Schnabel weit auf. Vorher sitzen sie vielfach
inaktiv und scheinbar ausruhend da, so daB man
denken könnte, sie ruhen, worauf das
"Gähnen" durchaus in adäquater
Situation erfolgen würde. Es ist nun nicht
etwa so, daB der Speiballen beim ersten
SchnabelaufreiBen herausfiele. Oft sind mehrere
solche Vorgänge nötig, bis er
erscheint. Dabei schütteln Insektenfresser
oft nur den Kopf und man bemerkt kaum, daB dabei
etwas aus dem Schnabel fällt. Bei
Fliegenschnäppern (Niltava tickelliae) habe
ich gesehen, wie vorher dem Schnabel extrem weit
geöffnet wurde; nachher, ais der Speiballen
wirklich kam, viel kürzer und weniger weit.
Auch der hier dargestellte Mauerläufer
(Abb. 1) hat erst einige Sekunden nach der
Aufnahme, also bei einem zweiten
Schnabelöffnen, den Speiballen
ausgeschleudert. Noch viel länger dauert es
aber bet den Eulen. Sie können eine
Viertelstunde vor dem Erscheinen des
Gewölles mit geschlossenen Augen "herzhaft
gähnen" und dies immer wiederholen, so daB
niemand am echtzn Gähnen zweifeln
würde (Abb. 2), wenn er nicht einige Zzit
später das Gewölle fände.
Offenbar dient dieses "Gähnen" einer
Verlagerung und Bewegung des Gewölles. Es
gibt auch Fälle, wo man dies unmittelbar
wahrnehmen kann, wo der Schnabel aufgerissen,
aber nicht wieder geschlossen wird. Der Vogel
verharrt dann einige Sekunden, schüttelt
plötzlich den Kopf, und der Ballen
fällt heraus.
Unter diesen Umständen glaube ich, daB
mindestens ein Teil der Fälle, die Bergamm
anführt, nicht auf Gähnen, sondern auf
späteres AusstoBen von Speiballen
zurückzuführen ist. Ich will damit
keineswegs abstreiten, daB es echtes Gähnen
geben mag. Auch versagt mein Einwand bei den
Körnerfressern, die keine Nahrungsreste
auswürgen, obwohl die von Bergamnn zitierte
Bemerkung D. Blume bezüglich des
"Gähens" beim Zeisig ägnliche
Beziehungen wahrscheinlich macht.
Auf jeden Fall wird man bei der Beobachtung
entsprechender vergänge, wie sie Bergmann
mit Recht fordert, solche Möglichkeiten
eines Irrtums berücksichtigen
müssen.
Zeitsch.
Tierpsychologie
1960;17:649-685
Maintenance
activities
The comparative ethology of the
African Parrot Genus Agapornis
Dilger W
These activities all tend to occur in bursts
and have strong mimetic value to all birds in
view; particularely betweeen members of mated
pair. Their mimetic value is stongest in
roseicollis and the white eye-ringed forms.
Feeding and drinking
Seeds are very rapidly husked, one at time,
by deft manipulation of the tongue, the tip of
the mandible, and the corrugated inside tip of
the maxilla. The feet are not used to hold food
during its preparation or to convey it to mouth.
Drinking is accomplished by diping the
scoop-like mandible in the water and then
ingesting the water by means of rapid,
piston-like movements of the tongue. The head
may or may not be tilted upward.
Stretching
Al species have similar stretching
movements. Both wings, while slightly spread,
may be stretched together over the back, or one
wing may be stretched (extended) backward and
downward along with the collateral leg and half
of the tail. We have never seen both wings
simultaneously stretched downward as occurs in
some birds. A juvenal taranta (15 days old) was
seen stretch both legs and same time by
extending them fully aginst the nest bottom.
This bird was also seen to stretch the
upper-most leg while lying on its side. We have
never seen adult Agapornis perform either of
these movements.