resolutionmini

mise à jour du
11 mai 2008
Zeitschrift für TierPsychologie
1958;15:94-98
Zum geruchlichen Beutefinden
und Gähnen der Kreuzkröte
(Bufo calamita Laur)
H. Heuser
Zürich

Chat-logomini

Summary
 
Bufo calamita Laur. are able to find mealworms relying on olfactory orientation alone. Confronted with materials smelling of mealworms, the toads show the same type of appetitive behaviour aiming at feeding as they would in the presence of visible prey. They snap at non-existing objects, yawn and show all kinds of displacement activities because the necessary optical stimulus which normally releases the consummatory act is missing.

Im Gegensatz zu den Molchen, die ihre Beute ebenso sicher mit der Nase wie optisch lokalisieren (E. MATTHES 1924-1927, G. E. FREYTAG 1954), gelten Frösche ubd Kröten als Augentiere, die sich beim Beutefang lediglich auf den Gesichtssinn verlassen. Nach SMITH (1954) schnappen Kreuzkröten, obwohl sie eine Riechlschleimhaut haben, nur nach bewegten Mehlwürmern, auch wenn sie monatlang nur mit Mehlwürmern gefüttert wurden. Dagegen schreiben R. STERNFELD und G. STEINER ([952), daB die Kreuzkröte audi dem Auge verborgene Beute nach dem Geruch zu finden vermag, was ich bestätigen kann.
 
Wenn sich eine Beute, z. B. ein Mehlwurm, Regenwurm oder lnsekt vor der Kröte bewegt, beginnt diese schneller ni atmen (SCHNEIDER 1954) und wendet dann den Kopf bzw. den Körper an Ort der Reizquelle zu. Bewegt sich die Beute an der Kröte vorbei, macht sie ruckweise weitere Einzelbewegungen. Ist die Beute mehr als etwa 3 cm von der Kröte entfernt, nähert sich diese der Reizquelle, richtet sich immer von neuem aus, erhebt sich schieBlich auf allen Vieren über die Beute, so daB sie fast senkrecht auf diese herabbickt, und schleudert nach kleiner Beute die Zunge heraus, bzw. erschnappt eine gröBere blitzschnell mit den Kiefern. Wie bei Erdkröte (Bufo bufo) und Laubfrosch (Hyla arborea) zeigt auch bei der Kreuzkröte ein Zittern und Krümmen der längsten Zehe die Beuteerregung an. EIKMANNS (1955) sah dieses Zehenzittern zuweilen auch beim optomotorischen Versuch auftreten; im übrigen scheint es aber an die Beutesituation gebunden zu sein. Asseln, Fliegen und Mehlwürmer schleudert die Kröte mit der Zunge in den Rachen.
 
GröBre Stücke, B. Regenwürmer, werden mit den zahnlosen Kiefern gehalten und durch Unterschieben und Zurückklappen der Zunec wie durch Wischbewegungen (KUCZKA 1956) der Hände ins Maul befördert. Danach wischt die Kröte die Maulränder sauber und geht in die Ausgangsstellung zurück. Wenn die verschluckte Beute wieder im Mundraum erscheint, wiederholt sich der Schluckakt. Nach dem Fressen und nach dem Verschlingen der Haut bei der Häutung klafft die Kröte mehrere Male mit dem Kiefer in spitzem Winkel. Dieses Maulöffnen ist vom eigentlichen Gähnen (s. u.) gut zu unterscheiden. Appetenzverhalten und Nahrungsaufnahme der Kreuzkröte stimmen bis in die Einzelheiten mit dem Verhalten drr Erdkröte, wie es HINSCHE (1935) und EIBL-EIBESFELDT (1951) beschricben haben, üherein.
 
Manches sprach dafür, da auBer dem Gesichtssinn noch ein Witterungsvermögen die Kreuzkröte auf Beute aufmerksam macht. Kleine rote Regenwürmer aus Dunghaufen wurden z. B. ihres üblen Geruchs wegen verschmäht, aber angenommen, wenn man sie mit Mehlwurmmist bestreute. Vor allem fiel auf, daB die Kreuzkörten bei der Fütterung anderer Terrarieninsassen aus ihrem Versteck herauskrochen und den Futterteller aufsuchten, ohne daB dieser vom Versteck aus sichthar war. Die Kreuzkröten kamen auch heraus, wenn ich zwischen Versteck und Futterteller einen Papieirschirm aufstellte. Sie stieBen gegen das Papier, wischten sich erregt über Augen und Nase und gähnten. SchlieBlich umgingen sie den Schirm, sahen nun die Mehiwürmer und gingen zum Teller.
 
Bei diesen Versuchen wurden Hörreize nicht ausgeschlossen. Eibl-Eibesfeldts Erdkröten achteten nicht auf Mehlwürmer, die auBerhalb ihres Gesichtsfeldes auf einer Blechunterlage krabbelten. Die Kreuzkröten reagierten aber auch, wenn man statt der Mehlwürmer nur ihren Kot und etwas vom Närboden, in dem sie gelebt hatten, in den Teller gab. In diesen Versuchen waren Bewegungs- und Hörreize ausgeschaltet. Dennoch verliefen etwa 50 so durchgeführte Versuche positiv. Eine Krcuzkröte, die in ihrem Versteck schlief, witterte z. B. auf 15 cm den Mehlwurmmist: sie öffnete die Augen, hob den Kopf an und nahm die Spähstellung ein. Nach einer hastigen Schluck-bewegung kam sie aus ihrem Versteck heraus zum Tellerchen und schnappte mit der Zunge gegen das völlig bewegungslose Material. Als man ihr den Teller wegnahm, brachte sie dem Ort, wo die Duftstoffe eben noch waren, erneutes Appetenzverhalten entgegen, wendete sich dann aber dem neuen Standort des Tellers zu, wischite mit den Händen über die Nase und gähnte.
 
Als nach einem viermonatigen Unterbruch erneut mit Mehlwürmern gefüttert wurde, reagierten die Kröten schon beim ersten Versuch positiv auf Mehlwurmmist. Entweder haben die Kröten den Geruch solange im Gedächtnis, oder er gehört ohnehin ins geruchliche Beuteschema.
 
Da die Kröten auch reagierten, wenn andere Personen andere Tellerchen einstellten, aber nicht, wenn ein Ieeres Tellerchen hineingegeben wurde, ist die Reaktion tatsächlich auf die Duftstoffe und nicht auf ein Einprägen der beim Einstelllen vorkommenden Bewegungen zurückzuführen. SchlieBlich genügte es, einige Stäubchen Mehlwurmkot hineinzublasen.
 
Wenn dcr Geruch sick noch nicht zu stark im Behälter verteilt hatte, wurde das Tellerchen auf 35 cm Entfernung lokalisiert.
 
Erdkröten leisteten deutlich weniger als die kreuzkröten; Aga-Kröten (Bufo marinus) reagierten nur selten, Feuersalamander (Salamandra salamandra) wurden jedesmal sehr erregt und begannen einander zu beiBen, wie dies MATTHES (1924) auch bei den Molchen beobachtete. - Auch ein Stofflappen, der längere Zeit Regenwürmer umhüllt hatte, löste das Appetenzverhalten aus. Es scheint, daB die Kreuzkröte im Riechen solcher Duftstoffe dem Menschen ûberlegen ist. Ob Gerüche auch in anderen Funktionskreisen, z. B. bei der Fortpflanzung oder beim Aufsuchen des Verstecks eine Rolle spielen, ist damit noch nicht gesagt. HINSCHE verneint dies für das Fortpflanzungsverhalten der Erdkröte.
 
Geruchliche Reize können der Kröte aucg im Schlaf Beute melden. Man kann annehmen, daB auch Amphibien schlafen. Die beobachteten Arten suchen dazu bestimmte Verstecke auf (oder steigen in die Höhe, wie z. B. der Laubfrosch) und liegen dort in bestimmten Stellungen, nicht nur in Kälteschlaf, sondern auch bei hohen und mittleren Temperaturen. Die Kreuzkröte gräbt sich ein Loch oder finndet ein Versteck, das ihr rundherum anliegt, zieht alle vier Beine an, macht sich so klein wie möglich, legt den Kopf auf die angezogenen Vorderbeine, atmet langsamer und schlieBt die Augen. DaB ein Tier durch Beutegeruch geweckt wird, ist nicht selbstverständlich, da im Schlaf eine Filterung von harmlosen und gefährlichen Reizen stattfindet (HEDIGER 1954/55): "Nur Feindreize haben Erwachen, Alarm, vieileicht rasche Flucht zur Folge". Als SARRIS (1935) eniem schlafenden Hunde Fleisch vor die Nase legte, machte dieser Kaubewegungen und wachte erst nach einigen Minuten auf.
 
Die Kreuzkröte kann durch (Beute-) Geruchsreize schnell geweckt werden. Als erstes beginnt sie rascher zu atmen, dann hebt sie - oft noch bei halbgeschlossenen Augen - den Kopf an. Manchmal sieht man auch ein kurzes Scharren, Sichducken, Sdiiucken oder Einziehen des Kopfes, oder die Kreuzkröte legt, wic ein witternder Molch, die Nase auf den Boden. Dann treten die Augen weit hervor, und schlieBlich nimmt die stark erregte Kröte, auf die Vorderbeine gestützt, die "Spähstellung" ein, wie HINSCHE sie auch für das sexuell erregte Erdkröten- beschrieben hat. In dieser Stellung tritt die Kröte ans dem Versteck heraus und sucht nach Bewegungsreizen. Ist nichts zu sehen, so wendet sie oft den Kopf zur Seite, als ob sie etwas erblickt hätte, gleichsam im Leerlauf der Taxis, Einstellen zum Schnappen nach Nichts. HINSCHE (1935) erwog die Möglichkeit von Nachbildern, da Kröten manchmal nach der Stelle schnappen, wo sie früher eine Bewegung wahrgenommen haben, auch wenn die Beute inzwischen entfernt wurde. Aber auch die geruchlich aktivierte Kröte nimmt die Aufmerksamkeitsstellung ein und schnappt nach Nichts. Da Nachbilder nicht in Frage kommen, könnte es sich höchstens um visionär halluzinatorische Vorgänge handeln, die beim Beutegeruch aktiviert würden, woran schon HINSCHE beimT-Phänomen dachte.
 
Wenn PACHES (1932) Wasserfrösche (Rana esculenta) kurze Zeit eine Beute gesehen hatten, schnappten sie manchmal nach Dingen, die dem, was sie vorher gesehen hatten, einigermaBen ähnelten. Nach den Beobachtungen von PACHE, EIBL-EIBESFELDT und mir sehen besonders Kröten ruhende Formen our schlecht; unbewegte Beute oder Geschlechtspartner erkennen sie nicht, wohl aber Verstecke (FREISLING 1948). Wird ausnahmsweise einmal etwas Unbewegliches erschnappt (wenn es nach Mehlwurm riecht, dann häufiger), so hat man den Eindruck des Zufälligen und denkt an Leerlauf,- Besonders während des Zuschnappens macht die Erdkröte kaum mehr optische Erfahrungen (BlRUKOW und MENG 1955). Die Endhandlung ist mit optischen Afferenzen nur locker verschränkt, weshalb dann auch die von Hinsche beschriebenen, verspäteten Schnappreaktionen eintreten können. Während des Appetenzverhaltens dagegen unterscheidet die Kröte deutlich Form und GröBe der gebotenen Attrappe, aber auch nur, wenn diese bewegt ist (EIKMANNS 1955).
 
Die meisten beobachteten Schnappbewegungen waren nicht auf ein bestimmtes Objekt gerichtet, sondern sind als Leerläufe aufzufassen. Offenbar entlädt sich auf these Weise die Spannung, die sich während des Appetenzverhaltens aufgestaut hat und die beim Ausbleiben von auslösenden Bewegungsreizen nicht abflieBien kann. Aus der gleichen Situation resultieren häufig Ubersprungbewegungen (TINBERGEN 1940, 1956). Die Kröten umklammern einen Artgenossen oder einen Stein, graben unmotiviert, streichen mit der Hand über Augen und Nase und deuten in seltenen Fällen Quaklaute an. Diese und andere Ubersprungbewegungen werden in einer späteren Arbeit genauer behandelt. Das Gähnen steht vielleicht in einem besonderen Zusammenhang mit der Beute-erregung, da es auBerhalb dieser Geruchssituation nur höchst selten zu beobachten ist. Die Kröte öffnet für eine Sek. das Maul so weit es geht, noch weiter als beim Hineinschleudern einer Beute; der ganze Körper ist gespannt, der Rücken durchgebogen und besonders der Kopf nach oben gerichtet; die Augen sinken in ihre Höhlen, und der Unterkiefer zittert krampfhaft, ehe er zuklappt. Manche Individuen gähnen selten, andere mehrere Male nacheinander.
 
In diesem Erregungszustande sinkt die Schwelle für gleichwelche Bewegungsreize, und die Ansprüche an Beuteähnlichkeit verringern sich derart, daB die Kröte selbst nach Artgenossen, der bewegten Menschenhand usw. schnappt.
 
Da die Versuchstiere in der Regel ohne gröBere Umwege wirklich zur Reizquelle gelangen, ist der Duft sowohl der stimmende und bewegungsauslösende, als auch der richtende Reiz zugleich.
 
Ist dann die Kreuzkröte mehr oder weniger gut gerichtet bei der Duftquelle angelangt und bleibt dort der erwartete optische Bewegungsreiz aus, so stellt sie sich auf einen nicht voraus bestimmbaren Punkt ein, an dem z. B. eine Mehlwurmhaut, ein Steinchen oder auch gar nichts Auffälliges liegt, steht gespreizt über ihm und schnappt zu. So schnappt die geruchlich gestimmte Kreuzkröte also auch nach toten, unbeweglichen Dingen. Anders als bei MATTHES Molchen hat das geruchlich verursachte Schnappen der Kröten Leerlaufcharakter. Geruchsreize sind geeignet, die Kröte zu stimmen und das Appetenzverhalten einzuleiten. Die gerichtete Endhandlung aber wird durch Bewegungsreize ausgelöst.
 
Zusammenfassung
 
Kreuzkröten finden Mehlwürmer auch allein nach dem Geruch und zeigen vor leblosen Stoffen, die nach Mehlwurm riechen, dasselbe Appetenzverhalten der Nahrungsaufnahme, wie es gesehener Beute gilt. Dabei schnappen sie nach "Nichts", gähnen und zeigen mancherlei Ubersprungbewegungen, weil der optische Bewegungsreiz, der die Endhandlung normalerweise auslöst, sich nicht einstellt.
 
Derived activities: their causation; biological signifiance, origin and emancipation during evolution
Tinbergen N Quart Rev Biol 1952;27:1-32
 
An interpretation of the "displacement phenomenon"
Bindra D British J Psychology 1959:32:236-268
 
Displacement activities and arousal
Delius J Nature-1967;214:1259-1260
 
Displacement activities as a behavioral measure of stress in nonhuman primates and human subjects
Troisi A Stress 2002;5(1):47-54
 
A modest proposal: displacement activities as an indicator of emotions in primates
Maestripieri D, Schino G, Aureli F, Troisi P Anim Behav 1992;44:967-979
 
The effects of fluoxetine and buspirone on self-injurious and stereotypic behavior in adult male rhesus macaques
Fontenot MB, Padgett EE et al Comp Med 2005;55(1):67-74
 
Effects of outdoor housing on self-Injurious and stereotypic behavior in adult Male Rhesus Macaques (Macaca mulatta)
Fontenot MB, Wilkes MN, Lynch CS J Am Ass Laboratory Animal Science 2006; 45(5):35-43
 
Extinction deficits in male rhesus macaques with a history of self-injurious behavior
Lutz C, Tiefenbacher S, Meyer J, Novak M. Am J Primatol 2004;63(2):41-48
 
Inhibition of social behavior in chimpanzees under high-density conditions
Aureli F, de Waal FB Am J Primatol 1997;41(3):213-28
 
Frequencies and contexts of gape yawn displays of free-ranging Patas Monkeys
Zucker EL, Gerald MS, Kaplan JR Am J Primatol 1998;45(2):215
 
Pandiculation: the comparative phenomenon of systematic stretching
Fraser AF Appl Anim Behav Sci 1989;23:263-268
 
 An ethological interpretation of stereotypy induced by environmental stimulus
Beckmann H, Zimmer R Arch Psychiatr Nervenkr 1981;230(1):81-89
 
Revue sur le comportement de bâillement chez les vertébrés.
Deputte BL Bull interne société française pour l'étude du comportement animal.1974;1:26-35.
 
Uber das Gähnen bei Vögeln
Bergmann H Die Vögelwelt 1966;87(5):134-138
 
Zur Frage des Gähnens bei der Vögel
Löhrl H Die Vögelwelt 1967;88(3):85-86
 
Maintenance activities
Dilger W Zeitsch. Tierpsychologie 1960;17:649-685
 
Yawning in the Greenfinch
Harrison JO AUK 1968;55:511
 
Yawning and other maintenance activities in the South African Ostrich
Sauer EG, Sauer EM The Auk 1967;84:571-587
 
Zum geruchlichen Beutefinden und Gähnen der Kreuzkröte
Heuser H Zeitschrift für TierPsychologie 1958;15:94-98
 
New evidence for a locus coeruleus norepinephrine connection with anxiety.
Redmond DE, Wang Y Life Sciences 1979;25(26):2149-2162
 
Limbic-midbrain lesions and acth-induced excessive grooming
Colbern D et al. Life Sciences. 1977;21:393-402
 
Aggression does not increase friendly contacts among bystanders in geladas (Theropithecus gelada) Leone A, Mignini M, Mancini G, Palagi E. Primates. 2010;51(4):299-305.