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Biographies de neurologues
 
Nouvelle Iconographie de La Salpêtrière
 
 L'histoire des neurosciences à La Pitié et à La Salpêtrière J Poirier
The history of neurosciences at La Pitié and La Salpêtrière J Poirier 
 
 
 

mise à jour du
 23 juillet 2006
Dtsch. Med. Wschr.
1932; 8; 693-694
Das Gähnen
Albrecht Peiper
Universität-Kinderklinik der Charité in Berlin
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Das Wesen und die physiologische Bedeutung des Gähnens ist bis heute nicht klar erkannt. Em erhöhtes 02-Bedürfnis wird durch das Gähnen nicht befriedigt,' wie bereits Hauptmann hervorgehoben hat. Der inspiratorische Atemstillstand, der auf die vertiefte Einatmung folgt, verhindert nämlich eine vermehrte Zufuhr von O2. Dumpert hat desbalb eine andere Erklärung gegeben: Das Gähnen soll gemeinsam mit dem Reckreflex einen indirekten GefäBreflex darstellen, der das Blut aus den Venen in die Arterien preBt und so zu einer besseren Durchblutung des Gehirnes führt. Wir gähnen oder recken uns nach dieser Auffassung immer dann, wenn eine Anämie des Gehirns besteht und wenn eine Hyperämie hergestellt werden soll.
 
Diese Theorie stöBt aber auf eine Schwierigkeit: Die Untersuchungen von Czerny, Brodmann and Berger haben nämlich gezeigt, daB sich das Gehirn im Schlafe stärker mit Blut füllt. Das Gähnen muBte daher den Eintritt des Schlafes geradezu begunstigen. Es ist nur folgerithtig, wenn Lewy, der erwähnten Theorie zuliebe, die klare Tatsache bestreitet, daB dan Gehirn im Schlafe hyperämisch wird. Dumpert sucht diese Schwierikeit durcb den Hinweis zu überwinden, daB die HirngefäBe im Schlafe erschlaffen, während sie sich bei psychischer Arbeit aktiv erweitern, wodurch sich für das Gehirn in beiden Fällen verschiedene Ernährungsbedingungen ergeben sollen. Diese Hilfsannahme ist kaum befriedigend.
 
Sieht man in dem Gähnen das reflektorische Bestreben des Körpers, die Ermüdung Znubeseitigen, so wird der Zweck nicht erreicht. Man hat ein sehr deutliches Gefühl für die Ermudung, die zum Gähnen AnlaB gibt. Dieses Gefühi wird durek dan Gähnen nitht vermindert; ebensowenig wird der Eintritt des Schlafes, wenn nur sonst die Bedingungen günstig sind, durch dan Gäbnen aufgehalten. Die tägliche Erfahrung widerspricht dem Satze, daB man gähne, um nicht müde zu sein, man gähnt vielmehr, weil man müde ist.
 
Sehen wir zunächst von allen Begleiterscheinungen ab, so ist an dem Gähnen die Atemmuskulatur, nämlich die Muskulatur des Brustkorbes und des Mundes beteiligt. Der Gähnende atmet unter weitem Offnen des Mundes tief ein, einige Sekunden lang bleibt die Einatmungsstellung des Brustkorbes und die Offnung des Mundes erhalten - mehrere zwischengeschaltete geringere Atembewungen sind möglich - dann wird wieder ausgeatmet und der Mund geschlossen. Hinterher kommt es oft zu einem kurzen Atemstillstand und einer unrterdrückbaren) Schluckbewegung. Die Augen schliessen sich meistens während des Gähnens und beginnen hinterher zu tränen.
 
Beim Erwachsenen kann das Gähnen willkürlich herbeigeführt werden es steht auBerdem unter dem EinfluB bedingter Reflexe. Der eigentliche Gähnenreflex verläuft aber subkortikal, wie bereits C. Mayer und Dumpert betont haben. Dies ergibt sich am deutlichsten aus der Tatsache, daB bereits die groBhirlosen, menschlichen MiBgeburten von Gamper, Catel-Krauspe und Creutzfeldt-Peiper gähnen und sich recken konnten. Da im Falle Catel-Krauspe nur das verlängerte Mark gebildet war, liegt das Gähnzentrum nicht oberhalb dieser Stelle.
 
DaB das Gähnen einen niederen Reflex bildet, ergibt sich weiter aus der Tatsache, daB schon junge Frühgeburten imstande sind, mit aller Deutlichkeit zu gähnen. Auf dieser Entwicklungsstufe kommt eine GroBhirntätigkeit noch nicht in Frage. Uber die Verbreitung des Gähnens unter den Tieren sind wir nur unvollkommen unterrichtet. Nach Dumpert-Heinroth gähnen und recken sich alle auf dem Lande lebenden Säugetiere und alle Vögel. Wie die Verhältnisse bei den Reptilien und Fischen liegen, ist nicht bekannt.
 
Der Mensch gähnt vor allem, wenn er müde ist, wenn also die Erregbarkeit seines Zentralnervensystems verringert ist, z. B. im Halbschlafe, während des Einchlafens oder Erwachens, aber auch bei nur vorübergeherder Ermüdung, die nicht vom Schlafe gefolgt wird. Das Gähnen des verblutenden Menschen möchte ich gleichfalls auf ein Sinken der zentralen Erregbarkeit zurückführen.
 
Die bekannten Tatsachen lassen sjch in der Theorie zusammenfassen, daB das Gähnen nichts weiter als eine Atembewegung darstellt und auf einem Sinken der nervösen Erregebarkeit des Atemzentrums beruht, wodurch das Gähnzentrum enthemmt wird. Die Atmung gleitet während des Gähnens auf eine stammesgeschichtlich niedere Stufe hinab.
 
Hiernach ist des Gähnzentrum als ein für gewöhnhich gehemmter Bestandteil des Atemzentrums aufzufassen, in dessen Nähe es seines Sitz hat. Wie ich an anderer Stelle ausführlich gezeigt habe, baut sich das Atemzentrum des Menschen aus verschiedenen Telizentren auf, die sich entwicklungs und stammesgeschichtlich nacheinander gebildet haben. Durch einen Zerlall des Atemzentrums, der sich besonders leicht bei jungen Frühgeburten einstellt, können einzelne Teilzentren, z. B. das Periodenzentrum, das Schnappzentrum oder des Singultuszentrum, enthemmt werden.
 
Noch bei einer zweiten menschlichen Atemform, der Schnappatmung, sind die Atembewegungen des Brustkorbes mit einer Offnung des Mundes verbunden. Die gleiche Beziehung ist stammesgeschithtlich vielfach nachzuweisen (Babak). Selbst der Reckbewegung des Gähnenden entsprechen bei niederen Tieren ähnliche Vorgänge, die sich an die Atmung knüpfen. Auf elnen näheren Vergleich, der viel Hypothetisches enthalten müBte, soll jedoch verzichtet werden.
 
Atemzentrum and Schluckzentrum sind ursprünglich eng mit einander verbunden. Niedere Tiere besitzen noch else eine " Schluckatmung, d. h. sie atmen, indem sie schlucken. Reste dieser engen Beziehung lassen sich noch beim Menschen nachweisen (Literatur siehe Peiper). Es ist deshalb keinn Zefall, daB ein anderer Nahrungreflex, der Suckreflex, mehrfach (Popper, Gamper und Unteersteiner) in seinem äuBeren Bilde and der Art seiner Auslösung mit dem Gähnen verglichen wurde.
 
Gemeint ist folgender Vorgang: Berührt man bel einem hungrigen Säugling mit einem Gegenstand die Iippen, so öffnet er den Mund, verzieht die Lippen und bewegt den ganzen Kopf, bis er des berübrenden Gegenstand mit dem Munde ergrfifen hat. Popper betont, and ich kann es bestätigen, man im Säuglingsalter durch Streicheln neben den Mundwinkeln manchmal ein reflektorisches Gähnen hervorrufen kann. Beim Erwachsenen fehlt ein derartiger Reflex. Der Suchreflex, der nach dem Säuglingsalter verschwindet, wurde bei älteren Kindern gelegentlich noch im Schlaf e nachgewiesen (Häggström) also an einer Zeit, wo ähnlich wie beim Gähnen die Hirntätigkeit auf eine niedrigere Stufe hinabgeglitten ist.
 
Die Schluckbewegung, die des Gähnen abschlieBt, zeigt gleichfalls die engen Beziehungen zwischen Atem- und Schluckzentrum, denn das Schlucken bildet auch beim Menschen die niederste Atemform. Es kann als eine Art Notatmung noch beim Sterbenden auftreten, wenn die Tätigkeit des eigentlichen Atemzentrums bereits endgültig erloschen ist.
 
Nach unserer Auffassung entsteht des Gähnen durch einen vorübergehenden Zerfall des Atemzentrums. Die Hemmungen, die physiologisch von dem höchsten Bestandteil auf das entwicklungsgeschichtlich tiefere Gähnzentrum ausstrahlen, lassen nach, sodaB das Gähnzentrum zeitweise die Führung der Atmung an sich reiBt. Hat es sich aber entladen, so wird es vorübergehend arbeitsunfähig, sodaB die the alte Atemform wieder herstellt. Der Erwachsene ist wohl imstande, den Gähnreflex willkürlich in Gang zu bringen, er kann aber nicht willkürlich zweimal unmittelbar nacheinander gähnen. Erst nach einer gewissen, ziemlich kurzen Zeit gwinnt des Gähnzentrum seine Erregbarkeit wieder.
 
Mit dieser Auffassung wird, die Frage nach der physiologischen Bedeutung des Gähnens für den Gähnenden selbst gegenstandslos. Man konnte sie bisher nicht befriedigend beantworten, weil man in dem Gähnen eine Abwehrbewegung des Körpers gegen die Ermüdung sah. Dagegen erblicken wir in dem Gähnen nur die Folge der Ermüdung, ohne daB else Wirkung auf den Körper zustandekäme. Es steht damit auf der gleichen Stufe wie der Singultus, den wir auch nur als die Folge einer Störung auffassen, die sich in der verwickelten Mechanik des Atemzentrums abspielt. Beide Erscheinungen stellen subkortikale Reflexe dar, die über dna Atemzentrum verlaufen.
 
Die Haufigkeit des Gähnens bei Frühgeburten erklärt sich daraus, daB die Unreife des Atemzentrums auf dieser Entwicklungsstufe dessen Zerfall begünstigt. Aus dem gleichen Grunde sind bei ihnen auch andere zentrale Atemstörungen (z. B. perodische Atmung und Singultus) häufiger zu finden als mm Späteren Leben.
 
Zusammenfassung. Dan Gähnzentrum bildet einen entwicklungs- und stammesgeschichtilch tieferen Bestandteil des Atemzentrums, von dem es für gewöhnlich gehemmt wird. Wenn bei der Ermüdung diese Hemmungen nachlassen, so reiBt das enthemmte Gähnzentrum vorübergehend die Führung der Atmung an sich. Man gähnt also nicht, um der Müdigkeit entgegenzuwirken, sondern infolge der Müdigkeit.
 
 
 
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